OnlineItalien 01.2023

ITALIEN 9 WattLöpptinNYCvonStephenOldvoodel T h e y D o n ’ t g i v e a R a t ’ s A s s : New York City und seine flauschigen Mitbewohner „Rattus norvegicus“ oder auf Deutsch „Wanderratte“, der Name ist eigentlich irreführend, weil New Yorker Ratten weder wandern, noch interessiert sind an Skilanglauf, Schach oder Stricken von Pullovern, Dingen halt, für die Norweger bekannt sind. New Yorker Ratten sind sehr heimatverbunden und würden Wiki-Behauptungen, sie ernährten sich weit überwiegend pflanzlich, entschieden widersprechen. Die geschätzt zwölf Millionen New Yorker Ratten sprechen aber nicht, schätzen dafür aber alles, was Menschen in der Stadt so an Nahrung achtlos fallen lassen, in die Tonne kloppen oder einfach nur so unbewacht bevorratet halten. Ratten gedeihen prächtig, wo viele Menschen dicht an dicht leben. Wenn die Rattenpracht aber mal wieder zur Blüte gereift ist, nimmt der politische Druck auf die Stadtverwaltung explosionsartig zu, was gegen die „Rattenplage“ zu unternehmen. Diese Wellen haben eine ähnliche Frequenz wie Fußballweltmeisterschaften oder Olympische Spiele. Nach dem Ausscheiden aller drei nordamerikanischen Fußballmannschaften bei der jüngsten WM hat die Welle der Fußballbegeisterung eine kaum noch messbare Amplitude, dafür schmückt jetzt aber wieder das „Rattenproblem“ die Titelseiten der Presse. Es müsse dringend einer her, der Schluss mache mit diesen ekligen Nagern, ein Terminator, ein erbarmungsloser Killer vom Typ ein Schuss, ein Treffer. Dem müsste man nur noch den Patronengurt mit zwölf Millionen Patronen befüllen und schon sei der Fisch geputzt, wenn Sie mir die aus der Art geschlagene Metapher erlauben. Leider habe – so das Revolverblatt New York Post – die Stadt derzeit wieder nur ein paar Weicheier aus der demokratischen Partei an den verantwortlichen Stellen sitzen. An der Spitze – oder am Kopf, von woher der Fisch nun stinkt – sei es der Bürgermeister Eric Adams, der seine wertvolle Arbeits- und Lebenszeit zuletzt damit verbracht habe, sich gegen Strafzettel an seinen angeblich rattenverseuchten Mietskasernen zu wehren. Oder die neue und nun zur „Ratten-Zarin“ ernannte Leiterin des für Hygiene in der Stadt verantwortlichen Department of Sanitation (DoS), Jessica Tisch. Sie machte jüngst Schlagzeilen mit der Bemerkung, jetzt würde endlich aufgeräumt und zwar so, dass Ratten nichts mehr zu fressen finden würden, und selbst wenn die Ratten die frisch aufgeräumte Stadt nicht mehr so attraktiv finden würden, scheißegal, denn: „The rats don’t run this city, we do“, also Menschen und nicht Ratten würden die Stadt beherrschen. Gut gebrüllt, Löwe (noch so eine artfremde Metapher), aber Pläne sind nur so gut wie ihre Umsetzungen. Die Sanitation Police, die eigene und kleine Polizeitruppe des Department of Sanitation, verteilt üblicherweise Strafzettel, wenn am Kehrtag das Auto noch auf der falschen Straßenseite geparkt ist. Sie wäre jedoch heillos überfordert, müsste sie darüber hinaus oder stattdessen auf die Einhaltung der neuen Tisch-Ordnung achten (pun intended bzw.: Verzeihen Sie den Kalauer). Also New York Finest? Die Cops des New York Police Department (NYPD) sind alles andere als begeistert von der Aussicht, ihr Einsatz in Manhattan solle nun im Wesentlichen daraus bestehen, den verschärften Anordnungen des DoS Geltung zu verschaffen und das für knapp $45.000 im Jahr, dem Gehalt für Jungbullen (no pun intended) beim NYPD. Wohnungsmieten liegen derzeit bei durchschnittlich $4.500 im Monat und New York Finest kommen aus den etwas preiswerteren Wohnquartieren in Queens, Staten Island oder der Bronx zur Arbeit. Unter diesen Umständen auch noch Müllpolizist zu sein, geht vielen der Finest über die Hutschnur, und so kämpft das NYPD derzeit mit Abwanderungen und Nachwuchsmangel. Vielleicht, so dämmert es bei den verantwortlichen Weicheiern in der Stadtverwaltung, wäre es Zeit, das martialische Gerede vom Krieg gegen die Ratten, von deren endgültigen Vernichtung an den sprichwörtlichen Nagel zu hängen und sich auf eine fortdauernde friedliche Koexistenz mit den ja an sich possierlichen Nagern einzurichten. Die Medien könnten dabei helfen, indem sie nicht immer nur Ratten in fiesen oder gar ekligen Begleitumständen porträtieren, sondern mal mit frisch geföhntem Flauschefell und neben Herz- oder Daumen-hoch-Emojis. Die Ratten selber ignorieren derweilen nicht einmal die Abneigung der Menschen gegen sie. Sie haben gelegentlich andere Sorgen, so zum Beispiel während der Hochzeit der Covid-Pandemie, als von den 20.000 New Yorker Restaurants gefühlt 30.000 geschlossen hatten und es entsprechend wenig Restaurant-Müll zu knabbern gab. Ansonsten gehen wir Menschen den Ratten am Arsch vorbei, they don’t give a rat’s ass: Solange wir genügend Essbares für sie bereitstellen, auf welche Art auch immer, solange sind sie zufrieden und bleiben in unserer Nähe. Vielleicht lernen sie ja mit der Zeit das Schnurren. Das kommt bei vielen Menschen gut an. F R I E D R IC H S T R A S S E 52, 4 210 5 W U P P E R T A L E-MAIL: K.HARDENBURG@WEB.DE • TEL: 0202 372 900 58 ÖFFNUNGSZEITEN: MO.-FR.10-18:30 UHR / SA.10-16 UHR

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