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TAL
IEN 5
DIEDERICHS „THE BERLIN NOT-BOOK“
Wa n d e r k l ö ß e g e h e n n i c h t
( E i n k l e i n e r K ü c h e n t i p p )
Zu den absoluten Musses (Mehrzahl von „Muss“) des Journa-
lismus gehören die fünf großen W: Wer, Wann, Wo, Wie und Warum?
Drei davon sind rasch geklärt, wie sich im Verlaufe der nachfolgenden
Geschichte herausstellen wird. In einem anliegenden Glasbierfachge-
schäft mault SibylleBille T. nämlich darüber, dass sich zu dem Weih-
nachtsessen bei Marion „Blümchen“ B. niemand fände, der Kartoffel-
klöße machen könne. „Der da! Der da! Der kann das!“, kräht Sabine S.
sogleich los und weist auf den Berichterstatter. Zu dessen Schrecken hat
sie auch noch entsprechende Fotos von einstmals wohlfeinen selbstge-
machten Klößen auf ihrem schicken Handy. Das ist Musik in den Oh-
ren von SibylleBille T. Begeistert greift sie ihrerseits zum Mobilen und
zieht die Sache klar. So etwas nennt man shanghaien. Der Begriff stand
vormaleinst dafür, für fehlende Mannschaftsstärken auf Schiffen im
nächsten Hafen Leute besoffen zu machen oder gleich niederzuschla-
gen, die sich dann am nächsten Tag auf hoher See wiederfanden. Heute
bedeutet es umgangssprachlich eher übertölpeln.
Womit das Wer, Wie und Warum geklärt sind.
Als weitere Grundregel gilt, nicht mehr als drei Personen zu
benennen, da ansonsten die Leserschaft überfordert wäre. Somit be-
lassen wir es bei den obigen drei Mädchen, auch wenn Sabine S. im
Folgenden keine Rolle mehr spielt.
Doch jetzt kloß mit der eigentlichen Geschichte: Wie ja nun
ein jeder Kloßkopp weiß, machen Kartoffelklöße (halb und halb) eine
Menge Arbeit – so was ist aufreibend, insbesondere für 10 Personen.
Ergo wird ein fußnaher Haushalt mit Küchenmaschine aufgesucht.
„Aber nicht vorher schälen“, hatte die Hausfrau gemahnt. Na, das muss
ja ein tolles Gerät sein. Von wegen, vor Ort muss selber geschält werden.
„Die Kartoffeln laufen doch sonst unterwegs an“. Auf dem kurzen Weg?
Köchinnengeschwätz!
Wo und Wann haben sich zwischenzeitlich auch geklärt.
19.00 Uhr ist angesagt. Zurück am heimischen Herd wird dann auch
das andere halb erledigt. Die gut durchgewalkte Kloßmasse, zudem –
regelwidrig – mit ordentlich Speisestärke versetzt. Mann hat Bedenken.
Zwischendurch hat sich zufällig nämlich telefonisch zudem ein Rem-
scheider Kloßspezialist eingemischt: „Meinst Du denn, das geht“? Um
18.30 h MEWZ ist alles bereit, sogar das Sturmgepäck mit den Kochge-
schützen ist abmarschbereit. In fremden Küchen darf man nämlich nix
dem Zufall überlassen.
So gegen 21.00 h MEWZ erscheint dann auch der letzte Esser
und vorher, so die irrige Meinung der Ausrichterin, kann man mit dem
Schmaus nicht beginnen. Also lautes Hallo, Bierchen trinken, biscken
schwätzen, rauchen machen. Danach starten diverse, durchaus leckere
Vorspeisen.
Und dann, so ungefähr, gegen oder in etwa 24.00 h MEWZ
ruft „Blümchen“ den Mann von ITALIEN, dem Ratgeber für Wirr- und
Fährnisse an der Küchenzeile, zur Tat.
Und siehe da, die Kloßmasse ist gut formbar und macht auch
im Topf noch irgendwie gute Figur. Nur berühren darf man sie nun
nicht mehr. Augenblicklich verwandelt sich der Kloß in haltloses Ge-
sabber und sinkt verstört in die Tiefe des Topfes. Das stundenlange
Herumliegen hat die Masse verärgert. Also war die ganze Arbeit für die
Ratten. Der Remscheider hatte Recht!!
Macht aber nix: Vorn nämlich sind längst betrunkene Gitar-
ren in ebensolchen Händen und einige sind dem „Call-a-Kloß“-Mann
sogar dankbar, dass sie die Dinger bei der ganzen Üppigkeit nicht auch
noch aufessen mussten.
So merke denn auf, Wuppertal!!
Wanderklöße gehen, laufen und marschieren nicht – handgemacht er-
trinken sie nach und in solchen Stunden traurig und lautlos.