OnlineItalien 03.2023

14 ITALIEN Uw e B e c k e r „ B e g r a b t m e i n H e r z i n W u p p e r t a l “ ( T e i l 2 ) 2 9 K o l u m n e n a u s d e r W e s t d e u t s c h e n Z e i t u n g M i t I l l u s t r a t i o n e n v o n U l r i k e Mö l t g e n H a r d c o v e r , 9 2 S e i t e n , F a d e n h e f t u n g 2 0 , 0 0 E u r o Gibts bei Buchhandlung Von Mackensen , Glücksbuchladen oder Bestellung per Post : uwehbecker@t - online.de Nachdem kürzlich ein Wolf in Beyenburg gesichtet wurde, lief nun ein Wildschweim durch die Elberfelder Innenstadt. In Langerfeld trabte gar eine ganze Rotte dieser Tiere durch einen Garten. Auch von Wildschweinen, die den Bewohnern auf der Königshöhe die Laune vermiesen, habe ich schon oft gehört. Diese Natur kommt uns inzwischen bedrohlich nah. Was haben wir ihr eigentlich getan, dass sie uns jetzt andauernd in Angst und Schrecken versetzt? Wenn meine Mutter früher nach dem sonntäglichen Mittagessen fröhlich rief: „So, Kinder, zieht euch mal die Schuhe an, es geht in den Wald, Sauerstoff braucht der Mensch!“, dann fanden wir das extrem langweilig. Jeder Dokumentarfilm im Fernsehen war spannender, als ein Rundgang im Kothener Busch. Heute, so denke ich, würde ich als Kind aus Angst, einem Wolf oder einer Horde Wildschweine zu begegnen, noch viel vehementer einen Spaziergang im unübersichtlichen Wald ablehnen, weil hinter jedem Baum nicht nur gefährliche Tiere lauern, sondern auch giftige Pilze, die, würde man sie verzehren, einem einen schmerzvollen, schrecklichen Todeskampf bescheren würden. Die Unwetter, Überschwemmungen und alle anderen Katastrophen sind ja eine Sache, aber wenn ich mir vorstelle, dass jetzt nach und nach noch mehr gefährliche Viecher in unsere Bergische Heimat eindringen, dann wird mir angst und bange. Ich denke mit Schaudern an den Eichenprozessionsspinner, der in letzter Zeit immer wieder in die Schlagzeilen geriet, aber trotzdem nicht totzukriegen ist. Auch der Schwarzblaue Ölkäfer ist ganz schön gefährlich. Dieser Käfer sollte besser nicht angefasst und erst recht nicht verschluckt werden. Was passiert, wenn man ihn versehentlich verschlucken würde, erzähle ich besser nicht, es könnte Ihnen den Schlaf rauben. Natürlich benötigen wir die Krabbeltiere, klar, sie sind immens wichtig für unsere ökologische Vielfalt, die Spinnen, Raupen, Falter, Hornissen und Käfer. Trotzdem mag ich sie alle nicht besonders, das heißt nicht, dass ich mich freue, wenn sie aussterben, aber es müssen auch nicht zu viele werden. Denken wir nur mal an die schlimme Heuschreckenplage in Ostafrika und Südasien. Ich gehe nur noch ganz selten in den Wald, auch um Insekten nicht zu begegnen, das steigert ja auch deren Überlebenschancen. Auf wie viele Tiere bin ich bei Spaziergängen schon versehentlich getreten, weil ich sie nicht gesehen habe? In Notwehr musste ich allerdings bestimmt schon Hunderttausende von Mücken ins Jenseits befördern, sorry! Mit vier Jahren stand während eines Spaziergangs plötzlich ein Rehkitz vor mir, ich erschrak kolossal, weinte vor lauter Angst. Meine Eltern versuchten mich zu beruhigen, es wäre ja nur ein Reh-Baby, ich müsste keine Angst haben. Später bei der Heimfahrt weinte ich im Auto immer noch. Ich war außer mir. Meine Mutter erzählte mir viele Jahre später, ich hätte damals Sorge gehabt, das Reh hätte mich fressen können. Im Laufe der Fahrt beruhigte ich mich dann wohl, aber als wir zu Hause ankamen, brüllte ich im Kinderzimmer erneut lauthals. Meine Eltern kamen erschrocken zu mir. Ich zeigte mit zitternden Fingern auf meine Bambi-Tapete. Ob ich in dieser Nacht mehr als ein Auge zu bekam, weiß ich nicht mehr. Bei YouTube habe ich mir gestern direkt mal ein paar Videos angeschaut, bei denen Angriffe auf Waldspaziergänger zu sehen waren, manchmal von den Opfern selber mit dem Handy aufgenommen, manche vom Ehepartner. Bei einem Video griff ein Wildschwein eine Frau an, die versuchte, das Wildtier zu streicheln, in einem anderen Film hörte man, wie eine Frau furchtbar um Hilfe schrie, begleitet von Schmatzund Bissgeräuschen. Und im Hintergrund sah man friedlich im Schlamm wühlende Wildschweinjunge. Wer filmt so etwas, statt der Frau zu helfen? Der Mensch ist, glaube ich, am Ende noch viel schlimmer als die Natur. Wa s h a b e n w i r d e r N a t u r b l o ß g e t a n ? v o n U w e B e c k e r

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