OnlineItalien 03.2023

ITALIEN 9 S u p e r B o w l , N a t i o n a l R a c o o n D a y a n d U F O s : N e w Yo r k C i t y i m F e b r u a r Der zweite Februarsonntag eines jeden Jahres ist Super Bowl Sunday, der Tag des Endspiels zwischen dem Meister der American Football Conference und dem Meister der National Football Conference. Da krachen dicke Lines-Men aufeinander, schnelle Receiver laufen sich frei, um vom Quarterback idealerweise das Ei für einen Touchdown zugeworfen zu bekommen, und weltweit sitzen angeblich mehrere hundert Millionen Fans vor Bildschirmen und tunken vor lauter Aufregung Chickenwings in Buffalo-Sauce. Milliarden mehr oder weniger gut abgenagter Hühnerknochen, Pizzareste, kalte Pommes, halbe Frikadellen und Ähnliches landen anschließend in Mülltüten auf den Straßen. Weil Super Bowl Sunday in fast allen Gegenden der USA ein zumindestens halboffizieller Feiertag ist, haben am darauffolgenden Montag die Müllkutscher frei. Die vielen Speisereste vom Sonntag stehen daher bis Dienstagfrüh an der Straße und machen den Montag zum inoffiziellen Tag der Waschbären, die sich an diesem Tag mal nicht mit Ratten um das Essen prügeln müssen. Es ist genug für alle da. Der National Racoon Day, wie dieser Montag nach dem Super Bowl Sunday hierzulande heißt, bringt für viele Männer des Landes allerdings etwas Katerstimmung mit sich, nicht nur, weil man sonntags über den Durst getrunken hat, sondern auch, weil man – es sind in der Tat vor allem Männer – eine falsche Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten hat, den Ausgang eines Sportereignisses vorauszusagen. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Autofahren. Wenn Sie hundert Männer danach fragen, ob ihre Fahrkünste durchschnittlich sind oder eher überdurchschnittlich, dann sagen 98 Männer, sie hießen Niki Lauda. Der war ja auch nicht so gut in Prozentrechnen. Wer clever ist, nutzt diese vermutlich genetisch bedingte Selbstüberschätzung der allermeisten Männer aus und bietet ihnen zum Beispiel Wetten auf den Ausgang von Sportereignissen an, bei denen männliches Expertentum so hoch verortet werden kann, wie beim Autofahren, also Football zum Beispiel. Und dann heizt man ihnen noch mit ein paar Heldengeschichten ordentlich ein, gegen den Mainstream, against the spread, zu wetten, und schon rubbelt sich die Dummheit vieler Männer in den Taschen der Wettanbieter in stattliche Dollarbeträge um. Das aus deren Sicht Schöne ist: Es funktioniert immer wieder, es gibt da Nullkommanull Lerneffekt. Frauen sind da anders, nicht klüger, aber anders. Sie gerieren sich seltener als Autofahrkünstlerinnen oder Sportexpertinnen, neigen dafür aber viel häufiger zu Ausflügen ins Phantastische. Da gab es gut eine Woche vor dem Super Bowl einen Ballon aus China, ziemlich groß, Flughöhe 20 Kilometer, mit Antennen und so, also mit einem einigermaßen klar erkennbaren Zweck, irgendwas mit Spionage. Wie Nena richtig ahnte, schickte die US-Generalität dem Ballon eine Fliegerstaffel hinterher, ließ das Ding vom Himmel runterballern und die Radarüberwachung des nordamerikanischen Luftraums von sensibel auf hochsensibel umstellen. Das hatte in den Tagen bis zum Super Bowl eine Menge Aufklärungs- und Abfangflüge der US Air Force zur Folge, noch drei weitere Abschüsse von Flugobjekten wurden aktenkundig und in Pressekonferenzen des Pentagon sagte man wahrheitsgemäß, es sei noch nicht klar, um was für Objekte es sich da gehandelt habe, sie seien aber zerstört worden. Zylindrisch in der Form, groß wie ein Kleinwagen, offensichtlich nicht von Menschen pilotiert, also fürs Erste ein Unidentified Flying Object, ein UFO. Die Suche nach den Trümmern und deren Analyse würde noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Bis dahin sprechen wir von UFOs. Das Raunen in den Pressekonferenzen des Pentagon klang eher nach Sopran und Alt als nach Tenor oder Bariton und Schwupps hatten wir am Super Bowl Sunday ganz viele UFOs im Nachthimmel, wenigstens vermutete UFOs, und es ist doch viel schöner, anzunehmen, dass wir nicht ganz allein im Universum sind und sich außer uns noch jemand für uns interessiert. Wir konnten am Sonntag also gar nicht mehr sicher sein, dass nur wir Menschen dem wilden Treiben auf dem Spielfeld zuschauten. Wir stellten dessen ungeachtet nach dem Spiel den Waschbären einen Festschmaus an die Straße und gingen mit der sicheren Erkenntnis schlafen: Die Kansas City Chiefs gewannen gegen die Philadelphia Eagles mit 38 zu 35 Punkten.

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