Seite 6 - 04014

Basic HTML-Version

6 I
TAL
IEN
DIEDERICHS „THE BERLIN NOT-BOOK“
H u n d s t a g e i m G l a s b i e r f a c h g e s c h ä f t
Lassie, Rin Tin Tin, Kommissar Rex oder Snoopy heißen
Hunde schon lange nicht mehr. Das waren wenigstens noch Namen.
Aber nein – alles vorbei! Heute heißen sie schnöde „Mimi“, „Lilly“,
„Aline“, „Bongo“, „Pimpel“ oder ähnlich dämlich. Wie viele dieser Vie-
cher in der Hauptstadt die Straßen und Parks vollscheißen, weiß nicht
einmal das Statistische Landesamt so genau. Rund 120.000 werden ge-
schätzt, die wenigsten von ihnen zahlen Steuern. Und als wäre das nicht
schon alles schlimm genug, trifft sich der beste Freund des Menschen
unterdessen auch gern mit ebendiesem in einem anliegenden Glasbier-
fachgeschäft. Dabei ist dieses ein Raucherlokal: Zutritt ab 18 Jahren
steht extra an der Tür. Und sämtliche Vierbeiner sind eindeutig darunter.
Nun gut, auch vorher kam des Sommers mal der eine oder an-
dere Canidae im Biergarten vorbei. Doch so richtig angefangen hat das
alles erst, als „Mimi“ den gemütlichen Ausschank zu ihrem Zweitwohn-
sitz erklärte. Dabei hatte die kurzhaarige braune Promadenmischung
natürlich gute Karten, denn am anderen Ende der Leine hing die Frau
Wirtin höchstpersönlich. Und seitdem kommen nahezu alle Canivoren
des Kiezes gern mal kurz vorbei. Nicht immer geht das so gut aus, wie
wenn „Mimis“ Schwester „Aleta“ reinguckt. „Lilly“ und „Mimi“ etwa
können sich überhaupt nicht riechen. Da ist die unter Kötern übliche
Einleitung sozialer Begegnung durch gegenseitige Untersuchung der
Genital- und Analzone ganz offenkundig schief gegangen. Aber mögli-
cherweise ist es auch eine Art Zickenkrieg um die Rüden. Das kennen
wir Humanoiden ja auch und was weiß man schon über die Psyche der
Flohteppiche? Dabei ist „Lilly“, ein rabenschwarzer Briard von eher
schlichter Gemütsart, jagt auch in geschlossenen Räumen gern ihrem
Quietschebällchen hinterher und legt sich auf Kommando gleich ab, am
liebsten im Fußbereich des Korrespondenten von ITALIEN, dem wich-
tigsten Rezeptbuch für Hundekuchen mit Arsen. Was ist nun ein Briard
außer einer Stolperfalle oder ein Flokati in der falschen Farbe? Zumin-
dest hier kann „Lilly“ auf eine ruhmreiche Vergangenheit verweisen.
Immerhin 1896 ist „Lilly“ als eigene Rasse anerkannt. Zudem taucht
der Name Chien de berger de Brie bereits 1758 in der französischen
Literatur auf ( M. de Buffon, `Naturelles´). Eine populärere Herleitung
bezieht sich indes auf die Legende `Der Hund des Aubry`. Ursprünglich
hatten Briards die Aufgabe, Schafe zu bewachen und zu schützen. Heu-
te bewacht und schützt „Lilly“ nur noch ihre Chefin, denn die kann sau-
fen wie ein Kerl. Da kann Obacht manchmal durchaus sinnvoll sein.
„Caspar“ hinwiederum hat eine Schulterhöhe weit oberhalb
von Danny de Vito. Welcher Rasse „Caspar“ zuzuordnen ist, weiß hin-
gegen niemand. Vermutlich eine Kreuzung aus Pony und Schwarzbär.
Wenn „Caspar“ den Raum betritt, ist die Kneipe voll. Zum Glück hat
sich seine Herrin unterdessen dazu entschlossen, ihr Schosshündchen
anderweitig zu lüften und kommt zumeist eher allein. Gut so! Ähnlich
ist es mit „Kathy“. Auch die Dobermännin, gern „Tante Käthe“ geru-
fen, kommt eher selten. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Hundeführe-
rin dann viel sympathischer wirkt.
Und dann gibt es da ja auch noch die Kurzbeinigeren. Al-
len voran „Vincenz“ und „Lisa“, ein russisches Findelkind. Sie zählen
zum Familienstand der Glasbierfachgeschäftfachverkäuferinnen und
verbreiten ebenfalls gern Kurzweil. Bei „Willow“, einem etwas quirligen
Exemplar, muss die Rasse ungeklärt bleiben, weil sein Befehlshaber, ein
pommerscher Landjunker, entweder betrunken ist oder Dorfschönhei-
ten nachsteigt – in jedem Falle aber keine zeitgerechte Auskunft gibt.
Nun, wie auch immer. Bei „Willow“ hilft jedenfalls auch Platz, Sitz und
Aus! Ablegen!!! nur immer kurzzeitig. Dafür ist „Willow“ vermutlich der
Einzige, der am stets gut gefüllten Wassernapf auch den Hinweis „For
dogs“ lesen kann.
Handtaschenköter und Trethupen wie „Elli“ und „Roxy“ –
die aussehen wie aus der Spielzeugabteilung und als hätten sie eine Bat-
terie – lassen wir hier einfach mal aus. Sie werden ohnehin zumeist auf
dem Arm getragen und stören somit nicht wirklich.
Aber wenn alle Hundehaufen auf einmal da sind und man sein Feier-
abendbierchen quasi im Tierheim trinken muss, dann wird es wirklich
richtig schwierig.
Jochen Z. bringt es auf den Punkt: „Als der Chinese hier ne-
benan noch seinen Imbiss hatte, gab es so was alles nicht“!