OnlineItalien 04.2023

ITALIEN 15 D I E P H Ä N O M E N E D E S D R . D U D R O P Buch Jule Falk Andreas Funke, Gedichte Juliane Steinbach, Holzschnitte Laubsägefisch/ Maritime Seelen Selbstverlag Format 24 x 31 cm 40 Seiten 45 Euro Auflage 200 ISBN 978-3-9824801-0-7 steinbach@kuester-steinbach.de Jorgo Schäfer Watching With My Ears 20 Years Vision Festival, New York (ein Bilder-Lesebuch) Format 24 x 29 cm 60 Seiten 39 Euro Auflage 150 ISBN 978-3-9824801-1-4 jorgo@jorgo-art.de H e u t e : Z u r P h ä n o m e n o l o g i e d e s „ Z “ N E U ! Foto: Zonengabi Das Z ist der sechsundzwanzigste und damit letzte Buchstabe des lateinischen Alphabets. Es besteht aus zwei waagerechten Strichen, die durch einen schräg verlaufenden Balken von oben rechts nach unten links verbunden sind. Ähnlich wie dem griechischen Omega kommt ihm eine Stellung als Vollender zu, Schlussstein des Buchstabengewölbes mit einem exklusivem Rang. Das hat das Z mit dem Schnitzel gemeinsam. Denn unter den Fleischspeisen nimmt dieses in seiner Vielfalt eine nachdrücklich exponierte Stellung ein. Das Schnitzel stellt sich vorderhand dar als lappenförmiges Stück Fleisch, das zum Braten bestimmt ist und aus der Keule des Kalbes oder des Schweines herausgeschnitten („geschnetzelt“) wurde. Zumeist wird es noch mit einem Fleischklopfer flach geklopft. Diese eher martialische Vorgehensweise soll dem Muskelfleisch eine zarte Konsistenz, aber auch eine gewisse Noblesse und geschmackliche Grazie verleihen, entsprechend seiner genuinen Verköstigung im aristokratischen Milieu. Vor der Zubereitung in der Bratpfanne wird das Schnitzel gelegentlich mit Eigelb bepinselt und dann mit Semmelbröseln versehen („paniert“). Zum Z-Schnitzel aber wird es erst nach dem Bratvorgang durch das Hinzufügen der Z-Sauce. Ansonsten wäre es gerade mal ein banales W-Schnitzel oder ein in seine sämige Tunke von dunkelbrauner Farbe getauchtes J-Schnitzel. Die Z-Sauce ist Essenz und Herzstück des Z-Schnitzels. Als Fertigprodukt ist sie in jedem Supermarkt erhältlich. Üblicherweise setzt sie sich zusammen aus kleingeschnittenen Tomaten- und Champignonstückchen, sowie Zwiebeln und Gewürzgurken. Doch geadelt wird ihr Aroma durch das Hinzufügen zerkleinerter Paprikafrüchte. Je nach Menge und Art der beigefügten Ingredienzien erhält die Z-Sauce dadurch einen unverwechselbaren und mehr oder weniger scharfen Geschmack. Die Schärfe ist es, die ihr den Nimbus heißblütigen Abenteurertums verleiht, welches von Feuer, Leidenschaft und Sinnlichkeit der Puszta kündet, dem Stammgebiet der Paprika als Kulturpflanze. Ähnlich wie die aus dem asiatischen Kontext bekannten „Acht Schätze in scharfer Soße“ begründet die Schärfe der Z-Sauce ihre Beliebtheit und ihren Ruf als Stimulans amouröser Romanzen. Dabei werden jedoch Fleischeslust und erotische Phantasien der Konsumenten lediglich gebündelt und auf ein plattgewalztes Stück Kälberschlegel projiziert. Die Ein-Verleibung der solchermaßen existentiell aufgeladenen Delikatesse stellt ein sinnliches Hochgefühl in Aussicht, dessen Wirklichkeitsgehalt indes als nur minimal anzusehen ist. Dies gilt wohl auch für viele weitere Produkte aus dem Z-Universum, die das bürgerliche Publikum schon seit langem ansprechen: das lustige Z-Leben, der Z-Junge und das Z-Mädchen. Sogar der Adelsstand wurde bemüht, der Z-Baron erfreut sich seit dem späten 19. Jahrhundert großer Beliebtheit. Überhaupt ist ZMusik im In-und Ausland höchst populär, unter anderem als rheinischer Z-Jazz, andalusischer Z-Flamenco und türkischer Z-Fasil. Alljährlich pilgern Scharen von Touristen zur Z-Wallfahrt nach Saintes-Maries-de-la Mer in der Camargue. Auch das Musiktheater bedient sich gerne des Z-Wesens, namentlich in der Oper Carmen, in der es um die Liebe geht, die dem Librettisten zufolge vom Z stammt. Kein kunstsinniger Hintergrund kommt indes der unappetitlichen Verwendung des Z auf russischem Spezialoperationsgerät zu. Und nicht unerwähnt bleiben sollte die Generation Z der zwischen 1995 und 2010 Geborenen, denen eine Tendenz zu Ungeduld, Technologie-Affinität und Arbeitsscheu nachgesagt wird. Im Z und den mit ihm verbundenen ästhetischen Qualitäten, so lässt sich resümieren, symbolisieren sich die Eigenschaften des digitalen Subjekts, hier findet die Entbergung verdrängter animalischer Triebe und ihrer kulturellen Sublimierung statt: im Zeitalter der Digitalisierung Ausdruck der allseits um sich greifenden algorithmischen Ödnis. Doch wenn Sie wollen, können Sie demnächst einen Ausgleich an gelebter Wirklichkeit bei den Ballkünstlern des WSV erfahren: dort erleben Sie live ungestüme Leidenschaft, Temperament und Feuer, gewürzt mit Lebensfreude und Sinnlichkeit, eben all das, was Ihnen Z-Sauce verspricht, aber nicht einhalten kann. N E U !

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