OnlineItalien 04.2023

ITALIEN 9 S h i t I n , S h i t O u t : B i e l e f e l d u n d G o n z a g a k ö n n t e n v o n d e r L a n d k a r - t e v e r s c h w i n d e n Im Märzen spannt hier in New York City kein Bauer mehr die Rösslein ins Geschirr, sondern die Bauern stehen alle in grünen Gummistiefeln und Latzhosen links und rechts der Fifth Avenue, jedenfalls am 17. Tag des Monats. Dann ist nämlich St. Patrick’s Day und die Parade zu Ehren des heiligen Paddy möchte sich nicht einmal der Bauer entgehen lassen. Da gibt es Bier, mit Whiskey nach oben hin aufgerundetes Bier, hier und da ein wenig Schamesröte und gegen Abend vermehrt Erbrochenes auf dem Gehsteig, nichts Ungewöhnliches also. Kehrt in Köln oder Wuppertal nach dem Karneval erst einmal Ruhe ein, beginnt in New York City gleich die March Madness, die Endrunde im College-Basketball der Herren, und jedes Jahr taucht als eine der Mannschaften ein Team der „Gonzaga University“ auf. Das steht jetzt in Anführungszeichen, wie man lange Zeit in Deutschland auch „Bielefeld“ in Anführungszeichen gesetzt hat, als Wink also, dass es mit der Gewissheit um die schiere Existenz von „Bielefeld“ nicht so weit her ist. Ja, wir sind alle schon einmal mit dem Auto von Wuppertal nach Berlin und wieder zurück gefahren und haben irgendwo auf Schildern „Bielefeld“ gelesen. Aber wissen wir wirklich, ob es einen solchen Ort gibt? Und in der Tat, wer googeln könnte, würde erfahren, dass „Bielefeld“ zunächst einmal eine freie Erfindung des Falk-Verlages war, der sich neben der patentierten Faltung seiner Landkarten im 18. Jahrhundert hat einfallen lassen, einfach einen Ort namens „Bielefeld“ als Kopierschutz auf die Karte zu Ostwestfalen-Lippe zu drucken und jeden vor den Kadi zu zerren, auf dessen nicht lizensierten Nachdrucken der Karten ebenfalls ein „Bielefeld“ auftauchte. Einen kleinen Ast der weit-verzweigten Familie Falk verschlug es im 19. Jahrhundert in den Westen Amerikas. Mit ihm reiste der verlegerische Impuls und die Idee eines als gewissermaßen Wasserzeichen erfundenen Orts namens „Gonzaga“ im US-Bundesstaat Washington. Das war zwar nicht ganz frei erfunden, sondern eine wenig originelle Umformung des in Tansania als Mittelname verbreiteten Zagonga, aber immerhin. Dann kam, na klar, die katholische Kirche in Gestalt des Jesuiten-Ordens, und behauptete frech einen heiligen Aloysius Gonzaga und machte ihn 1887 zum Namenspatron einer Hochschulgründung. Da war Basketball noch gar nicht erfunden, doch die Quantität der Nennungen von „Gonzaga“ oder „Bielefeld“ längst in eine neue Qualität umgeschlagen, nämlich in wirkliche Existenz von Orten mit diesen Namen. Arminia Bielefeld hat es sogar mal in die Fußballbundesliga geschafft und selbst wenn Arminia aus der zweiten Liga absteigen sollte, würde, so war es bislang die gesicherte Erkenntnis, Bielefeld nicht aufhören zu existieren. Genauso wenig würde sich Gonzaga University in Luft auflösen, deren Basketball-Mannschaft der Herren, die Bulldogs, während der March Madness in New York City anderen Teams gehörig die Muffen sausen lassen bzw. sie in den Arsch beißen. Nur ändert sich derzeit rasant unsere Welt und Schuld daran sind die wie Pilze aus dem Boden schießenden Programme sog. „Künstlicher Intelligenz“ bzw. „KI“, in Anführungszeichen, weil es sie eigentlich gar nicht gibt, sondern allenfalls Programme, die in Windeseile lernen, wie und über was Menschen so miteinander plaudern. Und da ist so viel Unsinn mit dabei, ja, je unsinniger, desto größer die Resonanz im Netz, und wenn ein Programm mit viel Unsinn gefüttert wird, dann darf es einen nicht wundern, wenn Unsinn dabei herauskommt, Unsinn wie etwa, es gäbe weder Bielefeld noch Gonzaga. Weil das in unserem ansonsten langweiligen Alltag spannendere Nachrichten sind, als die schiere Existenz beider Orte, wird so was ganz nach oben gespült und ChatGPT, oder wie auch immer die angeblich künstlichen Intelligenzen heißen, plappern das nach und die Schafe folgen. Wenn dann Quantität wieder in Qualität umschlägt, haben weder Gonzaga noch Bielefeld Grund zur Freude. Die Bulldogs müssen nun in New York schnell noch einmal das Finalturnier gewinnen, bevor ein riesiger Haufen von Falschinformationen Gonzaga University und deren Basketball-Team in den Orkus des Vergessens befördert. An das Schicksal von Arminia Bielefeld mag man auch nicht mehr denken. 1 JAHR ITALIEN 25 EURO // FÖRDER-ABO 50 EURO // SUPER-FÖRDER-ABO 100 EURO // EINFACH ÜBERWEISEN AN: ITALIEN-MAGAZIN, STADTSPARKASSE WUPPERTAL // IBAN: DE46 3305 0000 0000 9048 47

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