OnlineItalien 07./08.2024

ITALIEN 15 DIE PHÄNOMENE DES DR.DUDROP Heute: Zur Phänomenologie des Beffchens (vordem Bäffchen) Das Bäffchen, neudeutsch Beffchen, ist ein etwa 10-15 cm großes weißes Leinenstück von rechteckiger, jedoch durchaus unterschiedlicher geometrischer Form. Es besteht aus zwei Teilen, die an einem Ende zusammengenäht sind und von dort auseinanderstreben. Als Bestandteil ihrer Tracht wird das Beffchen gern von religiösen Würdenträgern zur Verdeckung des Halsausschnittes getragen. Dort hängt es den Pfarrern und Pfarrerinnen dann etwas trostlos zum Hals heraus und überschattet den Übergang zum Brustbein. Es ruft die Vorstellung eines Lätzchens hervor, neudeutsch Letzchen. Das Suffix „chen“ wiederum wurde an den ursprünglichen Wortstamm Bäff, neudeutsch Beff, angehängt, der sich vom lateinischen „biffa“ ableitet, was soviel wie „Halsbinde“ bedeutet. Die Halsbinde - auch Halskrause genannt - erfreute sich schon im Mittelalter großer Beliebtheit, nicht nur in kirchlichen Kreisen. Und ein liebes Kind hat bekanntlich viele Namen: so wurde die Halskrause auch als Kröse, Dutte, Fraise oder ganz einfach als Mühlsteinkragen bezeichnet. Und nun das Lätzchen-Beffchen: unverändert kleidet es auch heutigentags noch Pastor*innen vor allem evangelischen Bekenntnisses beim Gottesdienst. Doch warum? Vielleicht um sich nicht zu bekleckern? Aber sie essen doch gar nichts während des Amtes. Tragen sie es etwa zu Hause während des Mittagessens und haben nun die Befürchtung, auch bei der Predigt zu schlabbern? Oder ist es einfach nur modisches Accessoire, Ersatz für Krawatten und die selbst bei Prof. Lauterbach außer Mode gekommene Fliege? Offensichtlich müssen sich Honoratioren irgendetwas um den Hals binden, was Ihnen Respekt und Ausstrahlung verleiht. Der Hals scheint dazu wirkungsvollster Körperteil zu sein, tragende Region zwischen Kopf und Brust, doch auch Grenze, die zugleich betont und versteckt werden muss. Der Kragen und seine zahllosen Varianten geben Auskunft darüber, wes Geistes Hals sie schmücken. In Hamburg bekränzen sich Pastorinnen sogar mit einer wagenradgroßen Halskrause. Da kommt das Beffchen demütiger daher, farblos, schmucklos und geruchlos, die Kenner erkennen daran, welch protestantischer Subgruppe ihr klerikales Model angehört: Unitarier, Reformierte oder Lutherische. Kann man sie so schon kaum unterscheiden, dann wenigstens an der Form des Beffchens – klerikales Trikot und Vereinsabzeichen. Sein ihm inhärenter Witz wurde schon von dem ehemaligen Werbetexter und späteren Landpfarrer Manfred Günther aus dem Landkreis Mücke/Hessen erkannt. Dieser steht nicht nur einer virtuellen Gemeinde vor, sondern veröffentlicht neben kirchenkritischen Gedichten in der Forms des Paarreims eine BeffchenSammlung (www.predigt-eichendorf.de), Offenbarung des satirischen Potentials der evangelischen Halstracht. So wird nicht nur dem Tragen von Beffchen beim Kneipenbesuch oder der Predigt im Supermarkt das Wort geredet, sondern auch beim Besuch anderer gesellschaftlicher Institutionen. So soll bei der Predigt im Taubenzüchterverband ein Beffchen mit dem Aufdruck „Auch Taube sollen Hören“ getragen werden oder bei der Segnung des neuen Löschfahrzeugs der Freiwilligen Feuerwehr eines mit der Losung „Der Pfarrer – Dein Seelenfeuerwehrmann“. Sinn für Humor hatten übrigens schon die Beffchen-Vorgänger in Spanien, wo die Pfaffen-Halskrause im Ausgang des 16. Jahrhunderts als „Salätchen“ bezeichnet wurde („lechuguilla“) - lange bevor das Blattgemüse drei Jahrhunderte später durch König Friedrich Wilhelm III. in den Rang einer evangelischen Amtstracht erhoben wurde. Während sich Ruth Bader Ginsburg, berühmte Richterin am Supreme Court der Vereinigten Staaten, von dem amerikanischen Maler Simmie Knox noch standesbewusst mit der zivilen Variante des Beffchens, dem Jabot, portraitieren ließ, verzichten die säkularen Hochwürden hierzulande zunehmend auf den bedeutungsvollen Schmuck ihrer Halsregion, nackt, bloss und krawattenlos präsentieren sie der Öffentlichkeit ihre Kehlen. In der ehemaligen Textilstadt Wuppertal mussten auf Grund mangelnder Nachfrage sämtliche BeffchenHersteller Konkurs anmelden. Auch in diesem Marktsegment sind es die Chinesen, die den Markt beherrschen und für eine weitere politische und ökonomische Abhängigkeit sorgen. Nun müssen die wenigen verbliebenen Interessenten ihre Discounter-Beffchen zum Preis von € 29,50 bei Alibaba (!!) bestellen, dem fernöstlichen Online-Giganten aus dem Reich der Mitte. Buch Jule Falk Andreas Funke, Gedichte Juliane Steinbach, Holzschnitte Laubsägefisch/ Maritime Seelen Selbstverlag Format 24 x 31 cm 40 Seiten 45 Euro Auflage 200 ISBN 978-3-9824801-0-7 steinbach@kuester-steinbach.de 1 JAHR ITALIEN 25 EURO // FÖRDER-ABO 50 EURO // SUPER-FÖRDER-ABO 100 EURO // EINFACH ÜBERWEISEN AN: ITALIEN-MAGAZIN, STADTSPARKASSE WUPPERTAL // IBAN: DE46 3305 0000 0000 9048 47

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