OnlineItalien 07./08.2024

6 ITALIEN Baby, You Can Drive My Car: Manhattan, der Mann und das Auto Auf dem 1965 veröffentlichten Album „Rubber Soul“ gibt es mit „Baby, You Can Drive My Car” einen hauptsächlich Paul McCartney zugeschriebenen Song, der auf der einen Seite in den USA seit der Einführung automatischer Schaltgetriebe nicht mehr verständlich ist, auf der anderen Seite wieder hochaktuell zu werden scheint, noch bevor er seinen 60. Geburtstag feiert. Zu der einen Seite: Ja, Paul kalauerte schon mal auf Ballermann-Niveau und „drive my car“ meint nix anderes als „Sex haben“, was angesichts von Form und Proportion eines ordentlichen Schaltknüppels niemanden wirklich verwundern darf. Die andere Seite ist die Einführung von sogenanntem „Congestion Pricing“ südlich der 60. Straße in Manhattan ab Ende Juni. Damit soll dem täglichen Verkehrschaos Einhalt geboten werden. Mehr als 1 Mio. Autofahrerinnen und Autofahrer glauben, im Stau zu stehen, sind aber in Wirklichkeit der Stau. Es sind – zurück zum Thema – vor allem Männer, die trotz Automatikgetrieben und darum nicht vorhandenen Schaltknüppeln ein geradezu erotisches Verhältnis zu ihren jeweiligen Autos haben und alles, wirklich alles mit dem Auto erledigen zu müssen glauben, was man mit einem Auto erledigen kann. Sie sollen nun durch eine Straßennutzungsgebühr von $15 pro Tag zur Überlegung angeregt werden, ob ÖPNV nicht eine wirkliche Alternative sein könnte, zumal mit den eingesammelten Gebühren auch der Service von Bussen und Bahnen in der Stadt noch einmal deutlich zu verbessern versprochen wird. Soweit der Plan. Mit nahender Einführung der Gebühr ist allerdings auch das Gezeter sehr laut geworden und wo Gezeter laut wird, erblühen Ausnahmeregelungen, denn auch kommunale Verkehrspolitik ist Politik. Körperlich eingeschränkt mobile Menschen können sich selbstverständlich von der Gebühr befreien lassen, Fahrzeuge mit öffentlicher Funktion werden ohnehin nicht von den Mautstellen erfasst und nun ist eine hitzige Debatte darüber entbrannt, ob Menschen aus einkommensschwächeren Schichten nicht auch von der Gebühr ausgenommen werden sollen statt durch die Gebühr. Wenn ja, wo sollte dann die Einkommensgrenze liegen? Ganz arme Menschen, alle unter $30.000 Familieneinkommen pro Jahr, können sich kein Auto leisten, in New York, wo die Mieten sehr hoch sind, schon kaum jemand mit $60.000 pro Jahr. Gerade aber in diesen Einkommenssegmenten, so um die $60.000 herum, ist das eigene Auto nicht nur die „Geliebte des Mannes“, sondern vor allem auch das Statussymbol, das anzeigt: „Go, ÖPNV, and fuck yourself!“ In Italien, also im Land Italien, haben weniger Menschen so viel Geld zur Verfügung und man kalauert entsprechend unter Verwendung einer Vespa-Sitzbank. Das klingt super, gehört aber nicht hierher. Zurück nach New York, wo man man wirklich nicht allzu viel Rücksicht auf die sozioökonomischen Details nehmen kann, sonst löst das „Congestion Pricing“ nicht mehr die congestion, also die Verstopfung in den Straßen. Dazu braucht es eine Reduzierung der in den Straßen derzeit allenfalls im Schritttempo rollenden Fahrzeuge um etwa 30% und die kommunale Verkehrspolitik steht vor dem Problem, unter den derzeit noch mehr als 1 Mio. Autofahrerinnen und Autofahrern – vor allem letztere – für genügend Überzeugung zu sorgen, dass Busse und Bahnen akzeptabel sein können. Zum Glück gehen 2025 die Rechte zu „Baby, You Can Drive My Car” in die Public Domain über, werden also vogelfrei, und der Song könnte aus den Lautsprechern in Bussen und Bahnen rieseln. Wir drücken die Daumen, dass dies niemand missversteht. METTIGEL-SCHLACHTHOF WUPPERTAL UNTERBARMEN Der geteilte Fotowitz (oben) Fortsetzung Seite 9

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