10 ITALIEN Was Süßes vom Scheich Eigentlich ist es im Glasbierfachgeschäft ein Tag wie zumeist. Gemütlich nämlich: Am Tresen hockt die Gemeinde und palavert und am Nebentisch zecht der Lehrer- und innen-Stammtisch fröhlich vor sich hin. Doch plötzlich entsteht eine gewisse Unruhe. Heike M. kommt erregt an den Tisch des ITALIEN-Hauptstadtkorrespondenten. „Kennst Du Dubai-Schokolade“? Nun, was soll Mann darauf antworten? Eine Debatte beginnen, dass er kein Süßmaul ist? Ach nee. So greift er denn zu einer Notlüge und nuschelt ihr ein freundliches „Jau Jau“ zu. Heike M. scheint zufrieden, erregt sich noch kurz über den horrenden Preis, für den man metertief in die Tasche greifen muss, und startet dann eine repräsentative Kneipenumfrage. Am Lehrer- und innen-Tisch entspinnt sich gar eine längere Diskussion. Als auch diese beendet ist, kommt Heike wieder zurück zum Korrespondenten. „Komisch. Die Frauen kennen die alle. Von den Typen bist Du der einzige“. Damit ist es für eine Korrektur seiner Aussage zu spät; also bleibt er eben einfach der Frauentyp. Damit dies auch so bleibt, ist es nun wohl dennoch an der Zeit, sich einmal über diese offenbar geheimnisvolle Schokolade zu informieren. Und siehe da, die Medien sind voll davon. Auf dass die männliche Leserschaft von ITALIEN, dem begehrten Heftchen ohne Schoko-Flecken, nicht auch so dusslig bleiben muss wie der Berichterstatter, hier ein kleiner Abriss: Entwickelt wurde dieses Naschwerk bereits im Jahre 2021, als die Gründerin einer Schokoladenmanufaktur im Emirat Dubai mit Schokolade und Pistazien herumquaste. Herausgekommen ist dabei eine kastenförmige Schokolade mit einer Füllung von Pistaziencreme, Sesampaste und „Engelshaar“. „Engelshaar“? Bekannt ist dem Korrespondenten bis dato lediglich „Engelduft“; damit kam nämlich neulich die schöne Nachbarin vorbei, sprühte ihm ihr neues Parfümdeo auf die Nase und fragte: „Wie findste das“? Aber „Engelshaar“? Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei schlicht und ergreifend um schnöde gebratene süße Teigfäden. Da ist „Engelduft“ ja nachhaltiger, davon hat Mann auch Stunden später noch was im Rüssel. Na, wie auch immer. Anfangs interessierte das DubaiZeugs eigentlich niemanden. Bis dann im Herbst 2024 auf den Internetkanälen TikTok und Instagram ein Jubel-Video erschien. Und zack! war der Hype da und vor den wenigen Verkaufsstellen bildeten sich meterlange Schlangen wie beim Kauf von Silvesterböllern. Tja und bei sowas dauert es dann ja auch nicht lange, bis die ersten Gaunereien auf dem Markt sind. Flugs machten sich also die Lebensmittel- und Gesundheitsämter mehrerer Bundesländer daran, das Zeugs zu untersuchen. Und holla, nicht nur in den Imitaten fanden sie zum Teil gesundheitsschädliche Zusatzstoffe; auch die arabischen Originale waren nicht so ganz ohne. Über all diese wegweisenden Recherchen wird Heike M. natürlich auf dem Laufenden gehalten. Doch ihr Interesse sinkt spürbar. Für sie gehört die neue Trendschokolade schon längst wieder der Vergangenheit an. Selbst der Plan ihres Sohnes, diesen Schnopkram einmal selbst nachzubasteln, löst bei ihr nur geringe Begeisterung aus. Und natürlich ist die Sache prompt schiefgegangen und am Ende musste Heike M. irgendeine komische Art von Schokoladencreme schnabulieren. Seither liegt ihr Interesse an Dubai-Schokolade sogar noch unterhalb des Meeresspiegels. Also schön die Klappe halten.
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