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WattLöpptin
NYC
vonStephenOldvoodel
B l a c k , W h i t e , Y e l l o w , G r e e n :
H o w t o H a i l a C a b
Zunächst ein wenig Etymologie: Cab ist die Kurzform für Ca-
briolet und Cabriolet die Bezeichung des Stellmachers oder Wagners
für eine in der Regel einachsige und auffaltbar überdachte Kutsche mit
einer Sitzreihe. Jetzt noch ein Schluck Historie: Automobile - früher
auch Benzinkutschen genannt - bekamen ihre Karosserien und somit
deren Namen zunächst von Kutschenbauern, was - jetzt mal sehr ver-
einfacht gesagt - dazu geführt hat, dass die Mietdroschke westlich von
Frankreich und Belgien zum „Taxi-Cab“ oder auch nur „Cab“ wurde.
Weiter nach Amerika: Nach Ankunft der ersten Tonfilmaufnahmen
von Veranstaltungen der nationalsozialistischen Bewegung in Deutsch-
land hatte man Mitte der 1930‘er Jahre an der amerikanischen Ostküs-
te rasch eine Bezeichnung für das Heranwinken eines Taxis mit dem
ausgestreckten rechten Arm: to hail a cab. Das Durchdrücken des El-
lenbogens gilt allerdings im ganzen Amerika als unfein, so dass sich der
Deutsche Gruß zum Signal für den Taxifahrer in der Regel etwas lässi-
ger ausnimmt. Und schließlich nach New York: Hier gibt es mittlerwei-
le den sprichwörtlichen Blumenstrauß von mietbaren und chauffierten
Personen-Kleintransporten: klassische Yellow Cabs mit der „Medallion“
genannten Plakette und einem inzwischen elektronischen Taxameter
zum Schutz des Kunden vor Übervorteilung, schwarze oder weiße Live-
ry Cabs in den Vororten und Outer Boroughs, also das, was nicht Man-
hattan aber doch New York, New York ist. Die haben weder Medallions
noch Taxameter und erzeugen beim Kunden so oft das mulmige Gefühl
der Schlitzohrigkeit des Fahrers, dass sich für sie auch der Name Gy-
psy Cab - Zigeunertaxi - durchgesetzt hat (Taxifahrer ist übrigens fast
durchweg ein männlicher Beruf ). Gypsy Cabs werden aber - insofern ist
die Bezeichnung grundverkehrt - von der T&LC, der städtischen Taxi
and Limousine Commission, reglementiert. Wie ihre gelben Schwes-
tern auch. Viel unreglementierter ist dagegen die im Wesentlichen auf
die äußeren Stadtbezirke und Vorstädte beschränkte Szene der Livery
Vans, der Lieferwagen der tausenden von „Man with a Van“, deren Visi-
tenkarten einem hinter den Kassen der hiesigen Baumärkte nur so um
die Ohren f liegen. Man kann in Queens durchaus mit dem Fahrrad in
einen der vielen Home Depots fahren, das Rad dann durch die Gänge
mit Baumaterial schieben und einem Angestellten die nötige Hardware
für den Anbau oder das Gartenhaus in den Bestellzettel diktieren. Hin-
ter der Kasse übernimmt dann der „Man with a Van“ und liefert am
selben Tag auf die Baustelle. Barzahlung ist die Regel. Mitfahren darf
man nicht, denn Personentransport wäre T&LC.
Mit dem Department of Tourist Affairs (DTA) streitet sich
die T&LC seit Jahren um die Zuständigkeit für die alte Schule pferde-
gezogener Kutschen, die noch ihr Auskommen im Central Park des Big
Apple finden, in den allermeisten Fällen mit Touristen. Es sind Zwei-
achser mit zwei Sitzreihen, also - in der Argumentation des DTA - keine
Cabs. Seit allerdings vor 15 Jahren der Siegeszug der Fahrrad-Rickschas
begann, schien sich das Blatt zugunsten der T&LC zu wenden, denn
Fahrrad-Rickschas haben eine Achse und eine Sitzreihe. Ihr Markt
ist allerdings auch eher der touristische, insofern schwelt der Streit
zwischen den beiden Bürokratien um die Zuständigkeit für Kutschen
und Rickschas schon eine Weile. Inzwischen auf einer der hinteren
Kochplatten. Sie haben jedenfalls keine Taxameter. Mit Taxametern
ausgestattet und von der T&LC authorisiert sind allerdings die neuen
Green Cabs, grün lackierte Yellow Cabs, die sich vorwiegend in Brook-
lyn, Queens und in der Bronx tummeln sollen. Es gibt Regeln. Einfach
gesagt: Von den beiden städtischen Flughäfen (beide in Queens) nach
Manhattan dürfen Personen nur von Yellow Cabs befördert werden,
wie auch von Manhattan raus zu den Flughäfen. Green Cabs dürfen
innerhalb der äußeren Stadtbezirke so einigermaßen alles und darüber
hinaus Leute nach Manhattan bringen, aber keine raus aus Manhattan.
Yellow Cabs dürfen keine Leute nach Manhattan bringen, außer von
den Flughäfen, und in den Gypsy Cabs singen die Fahrer: „Lustig ist
das Zigeunerleben.“ Die Landschaft der Cabs ist also mittlerweile so
bunt, dass die entsprechende Signalkultur für Laien fast undurchschau-
bar geworden und damit zum Gegenstand von Volkshochschulkursen
geworden ist: How to Hail a Cab. Es gibt freilich in New York keine
Volkshochschulen; Erwachsenenbildung findet hier in Parks und auf
öffentlichen Plätzen statt. Auf dem Dag Hammerskjöld Platz gleich ge-
genüber den Vereinten Nationen finden sich am Samstagmorgen Gas-
sigeher, Tai Chi, Skateboarder und die Frage: „Wenn ich zunächst von
Manhattan nach Park Slope in Brooklyn will, dort meinen Koffer holen
und erst dann zu einem der beiden Flughäfen nach Queens, darf ich
dann auch ein Yellow Cab hailen und wenn ja, welchen Winkel muss
dann meine Armbeuge haben, damit nicht ein Green Cab oder gar ein
Gypsy Cab hält?“ Schwierig. Der leichtere Teil der Antwort lautet dann
aber rasch: „Den Arm nie ganz durchstrecken, sonst outet man sich
als Neo-Nazi, macht sich lächerlich und weder grün, noch gelb, noch
schwarz, noch weiß werden anhalten.“