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vonStephenOldvoodel
Auer Schule
Essen . Tr i nken . Gu t e Laune .
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D e r e i n z i g e I mb i s s
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B i l l d e B l a s i o :
F r o m S n o w s t o r m t o S h i t s t o r m
Als Warren Wilhelm Jr. am 8. Mai 1961 in Manhattan das Licht der
Welt erblickte, ließ sich sein weiterer Werdegang nach Durchtrennung
der Nabelschnur nur schwer voraussagen. Die genetischen Anlagen wa-
ren klar: deutsch von Seiten des Vaters, italienisch mütterlicherseits.
Wäre es nach den mütterlichen Großeltern Giovanni und Anna de Bla-
sio aus Sant’Agata de‘ Goti gegangen, hätte Warren Priester oder Opern-
sänger werden müssen, doch die geburtenstarken Jahrgänge haben halt
beiderseits des Atlantiks eines gemeinsam: den Hang zur Rebellion.
So wurde aus Warren Wilhelm, Jr. erst Warren de Blasio-Wilhelm und
dann durch eine große Rochade der Namensteile Wilhelm de Blasio
und verkürzt Bill de Blasio. Das war 1983.
Der Bürgermeister von New York hieß Edward I. Koch und
die Stadt befand sich am Rande des Nervenzusammenbruchs. Es folg-
ten vier Jahre Dinkins, acht Jahre Giuliani und Bloomberg für eine
gefühlte Ewigkeit. Als am 1. Januar dieses Jahres Bill de Blasio als 109.
Bürgermeister von New York die Amtsgeschäfte aus den Händen Micha-
el Bloombergs übernahm, glich die Stadt einem Phönix aus der Asche
und kaum jemand konnte sich vorstellen, dass the Big Apple zu Zeiten
von Ed Koch so wurmstichig war, dass sich niemand getraut hätte, auch
nur Mus daraus zu machen. Nach Ed Koch ist mittlerweile die vormali-
ge Queensboro-Bridge über den East River auf Höhe der 59ten Straße
benannt und die Stadt strahlt den Eindruck unermesslichen Reichtums
aus. Wir ahnen: der Schein trügt. Wie in allen klassischen Tragödien
haben am Scheitelpunkt des Loopings in den Abgrund Götter und Hei-
lige ihre Hände im Spiel. Im Falle von Bill de Blasio war es zunächst
Jupiter, der Wettergott, der ihm pünktlich zur Amtseinführung einen
Schneesturm in die Stadt schickte, so dass Bill die Pressekonferenz an
seinem ersten Amtstag zwischen orange-bekleideten Müllkutschern ab-
halten musste. Zu deren Aufgaben gehört eben auch das zur-Seite-Schie-
ben herabfallender Schneemassen, die Ausbringung von Streusalz und
der körperliche Einsatz mit der Schneeschaufel auf Gehwegen. Ihren
Kosenamen „New York Strongest“ verdienten sich die Müllkutscher der
Stadt in so manchem Winter wahrlich im Schweiße ihres Angesichts.
Bill sagte also, was Bürgermeister in solchen Fällen zu sagen
pf legen, dass er vollstes Vertrauen in die weltweit wohl unerreichte
Kraft und Leidensbereitschaft der Mitarbeiter des New York Depart-
ment of Sanitation habe, die Folgen des Schneesturms für die Stadt in
erträglichem Rahmen zu halten. How little did he know! Der Januar
und Februar dieses Jahres erweckten geradezu den Eindruck, als forde-
re Jupiter New York Strongest zum Armdrücken heraus und der Wet-
tergott scheint bislang das besser Ende für sich zu haben. Die Stadt
erlebte am Wochenende vor President’s Day (17. Februar) bereits den
achtzehnten Schneesturm, Streusalz ist längst alle, Schneeschaufeln
werden rund um die Uhr bewacht und zu alledem herrscht seit Wochen
eine Eiseskälte, die die uralten Wasserrohre in der Stadt bersten lässt,
wie Maiskörner in der eingeschalteten Mikrowelle. Bei allem Glanz von
New York City: Die Instandhaltung der städtischen Eingeweide ist halt
weniger fotogen und PR-geeignet als das Richtfest des Freedom Towers
an Ground Zero oder die feierliche Umbenennung einer Brücke. Jupi-
ter, der Wettergott, sollte da nicht voreilig beschuldigt werden. Wenn
ein neuer Amtsträger ein Problem – egal wie alt es ist – nicht während
seiner ersten 100 Tage im Amt in den Griff bekommt, also während
der Flitterwochen, dann geht das Problem in seinen Besitz über und es
droht ihm ein Desaster in den Public Relations, hierzulande bekannt
unter dem Namen „Shitstorm“.
Am 10. April enden die Flitterwochen der ersten Amtszeit von
Bill de Blasio, am 10. April wird man in den Medien eine Zwischenbi-
lanz ziehen und bislang sieht es nach dem aus, an das der Fußballfan in
Hamburg oder Bremen zur Zeit als „peinliche Heimniederlage“ gewöhnt
sein muss. Bill de Blasio hat trotz deutschem Vater keine Ahnung von
Fußball, wohl aber eine leise Ahnung bzw. Befürchtung, dass sich unter
den stets die Messer wetzenden Journalisten auch jemand mit humanis-
tischem Bildungshintergrund befinden könnte. Jetzt kommen die Hei-
ligen ins Spiel. So ein Humanist muss dabei nicht human sein, sondern
kann in ganz fieser Absicht die Legenda Aurea, die Heiligenlegenden,
aus dem Schrank ziehen, die einschlägigen Seiten des heiligen Blasius
aufschlagen, dem Namenspatron mütterlicherseits des Bürgermeisters
und einen Absatz aus den Schutzfunktionen des Heiligen zitieren, der
sich im Volksmund fest verankert hat: der Schutz vor Halsschmerzen
bei sexuellem Oralverkehr. Darüber wäre fast schon ein anderer Bill
gestolpert, damals in Washington, DC.