ItalienOnline 0708/2014 - page 6

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TAL
IEN
DIEDERICHS „THE BERLIN NOT-BOOK“
I m S ü d s t e r n - D e l f i n a r i u m
„Hast Du schon gehört“ … „Hey Leute, wisst Ihr schon“ … „Mir
wollen sie es ja nicht glauben“ … so und ähnlich lautet letztens an einem
sonnigen Nachmittag im Biergarten eines nahegelegenen Glasbierfachge-
schäftes das Geschnatter rund um den Hauptstadtkorrespondenten.Be-
sondere Aufregung ist damit nicht verbunden, eher schon ist es getragen
von amüsiertem Interesse. Denn derartige Parolen gab es im Verlaufes des
vergangenen Jahres mehrfach, und alle erwiesen sich für Eingeweihte – die
die mehr als geruhsame bauliche Entwicklung aus nächster Nähe verfolgen
konnten – stets als vorhersehbare Luftblasen. Also glaubt man der Sache
erst wenn man es sieht. Doch die Nachtschwärmerin SibylleBille T. ist stark
im Glauben; zudem weiß sie nicht nur die genaue Uhrzeit sondern hat auch
noch ein überzeugendes Argument: „Diesmal klappt´s. Ich bin nämlich von
der Leiter gefallen“. Na dann muss es stimmen. Und so verabredet die geselli-
ge Bande zu gegebener Zeit eine Polonaise zum Ort des großen Ereignisses.
Die Rede ist vom Delfin, dem neuen Eiscafé mit Cocktail-Bar, da
wo einstemalen schon ein gemütliches Café mit wechselhafter Geschichte
bestand, das dem Korrespondenten noch vor der ersten Stunde bekannt
war. Und noch heute hängt in seinem Flur die Zeichnung „Junge Kellner
wuchern mit Hemden“ eines bedeutenden Wuppertaler Künstlers und ITA-
LIEN-Redakteurs. Auch seine Leuchtkasten-Ausstellung „Five Marylins“ ist
unter den Wissenden noch heute berüchtigt. Wie dem auch sei; der letzte
albanische Betreiber jenes illustren Ausschankes indes wurde von seiner
eigenen Bagage ausmanövriert und ist somit nicht zu sehen, als der Delfin
nun tatsächlich doch noch gesprungen ist.
Ansonsten jedoch ist bereits alles erschienen was am Südstern-
Kiez Rang und Namen hat als die fröhliche Schar das Delfinarium schließ-
lich erreicht. Es ist proppenvoll! Und da Delfine bekanntlich gesellige We-
sen sind, springt zum Entzücken der Gäste auch hier eine größere Schule
italienischer Delphinidae albanischer Abkunft munter herum und verstän-
digt sich mittels Klicklauten, Pfeifen und Schnattern, sowie hochfrequenter
Töne bei der pekuniären Nahrungssuche.
Spätestens jedoch als der Korrespondent die Wellness-Abteilung
aufsuchen will, stellt sich heraus, dass die schicke Rasenfläche, die nun den
vormaligen öden Beton bedeckt, für Caféhaus-Stühle denkbar ungeeignet
ist. Einfach den Stuhl zurückschieben ist da nicht. Prompt bohren sich die
rückwärtigen Stuhlbeine in den weichen Boden. Ob dieses Umstandes
sowie eines beginnenden Räuschels muss der Mann von ITALIEN, dem
bergischen Fachjournal für die Südstern-Gastronomie, somit von seinem
Vorhaben ablassen und kullert stattdessen vor die Füße von Frau A. Die-
se ist über die unerwartete Gesellschaft hochentzückt und bewundert den
eleganten Tummelmutz noch Tage später: „Na wieder alles im Lot? Kommt
in den besten Familien vor. Ist mir auch schon passiert“. Frau A. muss man
wissen, ist dem Korrespondenten im Herzen zugetan. Vor guten 30 Jahren
nämlich sah sie in ihm einmal ihren zukünftigen Schwiegersohn. Noch
heute stammen Teile des redaktionellen Kücheninventars aus dem Fundus
von „Mama“ A. Anders als ihr holdes Töchterlein hat „Mama“ A. denn auch
nach diesem herben Schicksalsschlag die Zuneigung nie verloren. Ihre Be-
geisterung wächst sogar noch als ihr Lieblings-Otto zur Beantwortung der
Frage nach den ersten Hochrechnungen dieses Wahlsonntages kurzerhand
Sabine K. an den Tisch winkt. Sabine K. nämlich verfügt über eines die-
ser modernen Taschentelefone, die nicht nur flanieren, fotografieren und
Zähne putzen können sondern auf einfachen Zuruf auch jede erdenkliche
Frage beantworten. „Mama“ A. ist hoch zufrieden und bewundert ihren
selbsterdachten Schwiegersohn nur umso mehr. Und so kommt eben mit
jeder neuen Kneipeneröffnung ein weiterer Schicksalsschlag hinzu.
Denn wie formulierte es die Frau Doktor doch vor zwei Tagen so charmant:
„Hören Sie einfach auf zu saufen“.
Im Biergar ten gibt
es auch Wein und
Säf te
kittihawk
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