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TAL
IEN
WattLöpptin
NYC
vonStephenOldvoodel
A l l H a t , N o C a t t l e
Ähnlich dem Bayrischen im Ohr des Wuppertalers ist der im Süden der
Vereinigten Staaten gesprochene Akzent des amerikanischen Englisch
für die meisten Bewohner von Ostküstenstädten wie New York nur
schwer zugänglich, zumal vor allem Texaner ganze Sätze gerne wie ein
Wort aussprechen. „All Hat, No Cattle“ meint daher nicht – wie man
vielleicht vermuten könnte – „Alles Scheiße, Deine Else“, sondern es
entspricht am Ehesten dem „Schautermann“ im Norden Elberfelds bzw.
dem „Showterman“ in der Schreibweise Schwelms. In Ronsdorf lautet
die Entsprechung „Große Klappe, nichts dahinter“, wenn Kirmes ist,
auch schon mal „Keine Haare am Sack, aber Kamm in der Tasche“.
Wenn also ein texanischer Rinderbaron zum Ausdruck brin-
gen möchte, das Vermögen eines New Yorker Rechtsanwalts entspreche
beiweitem nicht der Größe seiner Hutkrempe, unter der er Schutz vor
der brutalen Sonne von San Antonio sucht, dann nuschelt er „allhat-
nocattle“ und spuckt den braunen Saft des Kautabaks passgenau neben
den Rinnstein. Zurück in der Upper East Side Manhattans mag der
Rechtsanwalt sich dann nur noch vage an die Szene erinnern. Warum
auch, denn im Vergleich zum Rest der Welt geht es in New York irr-
sinnig dynamisch zu und täglich, wenn nicht stündlich gibt es wieder
Neues zu berichten.
In der Upper Upper East East Side – eine ultra-kreative Wort-
schöpfung lokaler Immobilienmakler – gibt es jetzt zum Beispiel auf
der 116ten Straße ein neues Einkaufszentrum mit Aldi und Costco,
Läden also, die sich mehr oder weniger radikal dem Volumengeschäft
verschrieben haben. Das ist insofern bemerkenswert, als die allermeis-
ten Kunden im Einzugsbereich der neuen Läden in ihren Wohnungen
kaum nennenswerte Flächen zur Lagerung größerer Produktgebinde
zur Verfügung haben, von Volumina ganz zu schweigen. Allein das
Sonderangebot eines großen Kartons mit 240 mal einem Pfund Spa-
ghetti der Premiummarke Barilla für nur 120 Dollar bei Costco nähme
ja schließlich sieben Kubikmeter Lagerraum in Anspruch. Das könnte
sich keiner der Costco-Kunden leisten, weder in der eigenen Wohnung,
noch im extra anzumietenden Manhattan Mini Storage. Nun sind aber
weder Aldi noch Costco blöde und im Vorfeld der Planungen muss
es offensichtlich Absprachen mit der Stadtverwaltung gegeben haben,
die investigativer Journalismus in den kommenden Monaten sicherlich
noch aufdecken wird. Costco und Aldi, so wird es wohl in den Schlag-
zeilen heißen, hätten als Gegenleistung für ihre Investitionen in der
Upper Upper East East Side das Versprechen der kommunalen Admi-
nistration erhalten, auch dem gewerbescheinlosen Weiterverkauf von
Waren tatenlos zuzuschauen. Und dieser geschieht offensichtlich in
zweierlei Form, zum einen aus dem Koffer- bzw. Laderaum von an der
116ten Straße im eingeschränkten Halteverbot stehenden Kunden von
Costco und Aldi, zum anderen durch sich über das Internet spontan
zusammenfindende Einkaufsgemeinschaften. Dazu gibt es sogenannte
Apps, kleine Progrämmelchen, in die man einträgt, was man in welcher
Menge, zu welchem Preis und in welcher Gegend der Stadt käuf lich zu
erwerben wünscht. Kommt eine ausreichend große Anzahl möglicher
Kunden zustande, beauftragt und bezahlt das Progrämmelchen einen
Einkäufer und Verteiler der Waren und rubbeldiekatz haben 240 Men-
schen in der Lower East Side ein Pfund Spaghetti für nur jeweils 70
Cents gekauft.
Der oben genannte Rechtsanwalt hat sich so eine App jetzt
auf sein I-Phone geladen. Es hört auf den merkwürdigen Namen „All
Hat, No Cattle“.
G i s e l a g o e s f i f t y t w o
I beg your pardon,
I never promised you a Hildegarden
allong in the sunshine
there will be a little Krombacher sometime