ItalienOnline 11/2014 - page 9

I
TAL
IEN 9
R e s t u n d R a s e n
v o n E u g e n E g n e r
V A T I K A N : B I S C H Ö F E D I S K U T I E R E N Ü B E R E H E , S E X
U N D V E R H Ü T U N G - P A P S T W I L L R E F O R M E N .
Wird für viele nicht einfach
darüber zu reden…
Ich trinke vorher einfach
einen kleinen Feigling!
Ich hörte von einem Rest, der irgendwo übrig geblieben war. Da man
ihn für erhaltenswert hielt, wurde er mit Schutzfarbe angestrichen.
So stand er dann noch lange im Gras beim Gartentor und grüßte alle
Vorübergehenden. Ich beneidete ihn, denn für den nicht minder grü-
ßenden Rest von mir gab es keinen Schutzanstrich. Doch für Bitterkeit
kann und soll hier kein Raum sein. Was ich in aller gebotenen Nüch-
ternheit zu berichten habe, ist vielmehr dies:
Es war die Zeit des Niedergangs, Mäuse änderten mein Kleid, Husten
war mein ständiger Betreuer, und vom Wetter war nach zahllosen Kli-
makonferenzen auch nur noch ein Rest übrig, der sich pausenlos mit
Sturmböen behalf (ein altbewährtes Problem). Von Husten geschüttelt,
nahm ich eines Tages wahr, dass Gras das Gartentor und schließlich
das ganze Haus zu überwuchern drohte. Früher, so glaubte ich mich
zu erinnern, wäre in einer derartigen Situation etwas unternommen
worden, das „Rasenmähen“ (d. i. Mähen des Rasens, also des Grases)
genannt wurde. Jetzt aber griff niemand zu diesem Mittel, denn die
es früher getan hatten, lebten nicht mehr. Ich war als Einziger übrig
geblieben, daher war es nun zwangsläufig an mir, den Rasen zu mähen.
Der Gedanke erregte meinen Widerwillen, und mir fiel ein, dass ich
schon immer dagegen gewesen war, im Freien eine Art Klopfsauger vor
mir herzuschieben, der allerdings nichts ansaugte, sondern eher wie ein
großer Rasierapparat wirkte (ein Vergleich, zu dem mein Restverstand
noch fähig war). Die ganze Abneigung half jedoch nichts, ich hatte kei-
ne Wahl. Das Gras schoss unaufhaltsam in die Höhe, es drohte alles zu
verschlingen, nicht zuletzt mein restliches Ansehen bei den Nachbarn.
In den Überresten der Garage kümmerten die des väterlichen Rasen-
mähers vor sich hin, gelb, gichtbrüchig und mit blauem Klebeband um-
wickelt, das keinen Zusammenhalt mehr bewirkte. Der Apparat verlor
beim Mähen den Motor und die Räder; alles fiel auseinander wie auf
einer Explosionszeichnung. Das bedeutete zu meinem Leidwesen: Ein
neuer Rasenmäher musste angeschafft werden – und zwar von mir, weil
sonst niemand mehr übrig war (s. o.).
Infolgedessen fand ich mich hustend und fortwährend „die Schande,
die Schande“ denkend im Baumarkt wieder, wo ich mit einem verwir-
renden Angebot konfrontiert wurde. Es gab Tischmäher, Rennmäher,
Reisemäher, Fremdmäher, Scheinmäher und tausend andere, einer
hässlicher und teurer als der andere. Ratlosigkeit und Husten versuch-
ten gemeinsam, mir den Rest zu geben. Eine Seelsorgerin, ein Arzt und
ein Kundenberater wurden gerufen. Sie wirkten stark auf mich ein, und
zuguterletzt kaufte ich für viel zu viel Geld einen neuen Rasenmäher,
der sich von dem alten auf geradezu schockierende Weise unterschied.
Er war so vollkommen neu, dass ich mich erkundigte, ob ich ihn über-
haupt schon sofort in Gebrauch nehmen könne. „Nein, erst übermor-
gen“, antwortete der Kundenberater. Der Arzt und die Seelsorgerin wet-
teten, ob meine Restlebenszeit bis dahin reichen würde.
B R A U C H E N W I R E I N E N B U N D E S P R Ä S I D E N T E N ?
•••Nichts, aber auch gar nichts, nicht ein einziges Wort, was unser Bundesprä-
sident Gauck so ausspuckt, ist nicht vorhersehbar.
W Ä H R E N D…
•••Xavier Naidoo dieser Tage mit einiger Befriedigung zur Kenntnis nehmen
dürfte, dass seine politischen Bekenntnisse endlich ernstgenommen werden,
denke ich mit einigem Amusement an den (übrigens handwerklich ziemlich
guten) Wortmannfilm als wichtigstes und populärstes Zeitzeugnis des „Som-
mermärchens“ 2006 zurück, in demNaidoos Songs pausenlos imHintergrund
dudeln. Eine wichtige Mär dieses Sommers war ja der neue Deutschnationa-
lismus, der nicht mehr ausgrenzt, sondern aller Menschen undWelten Freund
ist. Dass nun vor aller Augen und Ohren ausgebreitet wird, dass der Urheber
der musikalischen Untermalung dieses patriotischen Aufbruchs („dieser Weg
wird steinig sein“, „was wir alleine nicht schaffen, schaffen wir dann zusam-
men“) zur kulturellen und politischen Befreiung des „besetzten Deutschland“
aufruft und sein Geld niemals für „Tiere und Ausländer“ aus dem Fenster wer-
fen würde, ist unbezahlbar komisch.
Benjamin Weissinger
D I E …
•••erfolgreichste Jahre von Schalke 04 fielen ja in die Zeit des Nationalsozi-
alismus. Sechsmal wurde der „Titelsammler unter dem Hakenkreuz“ (Ador-
no) damals Deutscher Meister. Wenn der AfD-Chef Lucke mal Präsident bei
denen ist, dann werden die auch mal wieder Meister. Da bin ich mir sicher.
Natürlich nur, das versteht sich, wenn Horst Held dann da auch nicht mehr
herumgeistert.
Horst Scharwick
D I E S E …
•••Arbeitslosen könnten ja auch mal streiken. Man könnte sie doch, wie kürz-
lich erforderlich, einfach mal als Lokführer arbeiten lassen.
H.v.H.
masztalerz
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