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WattLöpptin
NYC
vonStephenOldvoodel
F r o h z u s e i n b e d a r f e s w e n i g
u n d w e r f r o h i s t . . .
…ist ein König. Wer kennt es nicht, dieses Kinderlied von
Heinrich Leberecht August Mühling? Es wird vermutlich noch immer
in Freilaufgehegen von Kitas und Grundschulen als Kanon gesungen
und nahm im Grunde bereits in den 1750er und -60er Jahren neueste
Erkenntnisse der Hirnforschung vorweg. Wir wissen nämlich mittler-
weile auch mit einer wissenschaftlich begründeten Sicherheit, dass das
menschliche Hirn erstens in verschiedene Regionen aufgeteilt ist, zwei-
tens das ganze Leben hindurch plastisch, also veränderungsfähig bleibt
und dass drittens der Sitz von Persönlichkeit und Sozialverhalten im
Lobus frontalis, dem Frontallappen verortet werden kann.
Persönlichkeit meint in diesem Zusammenhang sowohl das
eher angeborene Temperament, als auch die langsame Entwicklung in-
nerer Einstellungen, die dann zu dem kulminieren, was wir Haltung
nennen. Ist diese Entwicklung dauernd eher negativ besetzt, verformt
sich der Lobus frontalis allmählich zu einem Jammerlappen. Einer sei-
ner Ausdrucksformen ist derzeit als PEGIDA auf deutschen Straßen zu
sehen, er ist aber deutlich weiter verbreitet. Zum Glück – und das wissen
wir erst seit kurzem – ist der Vorgang ein Stück weit reversibel. Damit
kommen wir zu New York, bzw. nach Westchester, einem der sehr rei-
chen Vorstadtbezirke im Norden des Big Apple.
In den USA verläuft die Grenze zwischen unterem und obe-
rem Mittelstand seit mehr als 20 Jahren bei einem jährlichen Haushalts-
einkommen von $250.000. 98% aller US-amerikanischen Haushalte
müssen mit weniger auskommen, einige mit viel weniger, aber in West-
chester scheint man davon nicht den blassesten Schimmer zu haben.
Man könnte, denn es arbeiten in Westchester Hausangestellte, Gärtner,
Lehrer, Briefträger, Menschen also, die deutlich geringere Einkommen
haben, sie wohnen aber erstens nicht in Westchester und sind zweitens
nie als Gäste auf den vielen Parties. Das seit Jahren beliebteste Party-
Thema in Westchester – Sie ahnen es bereits: Es ist gar nicht so ein-
fach, mit einer Viertelmillion im Jahr über die Runden zu kommen. Es
sind nur klitzekleine Nuancen, doch hat eine deutlich negativ besetzte
Verformung des Lobus frontalis Auswirkungen außerhalb des Schädels,
vor allem im Gesicht um die Augen und Mundwinkel herum und in
den Schultern. PEGIDA als Beispiel ist da selbst in Westchester noch
abschreckend genug. Zwischen Tupper-Party und Yoga werden mittler-
weile Strategien debatiert, den Lobus frontalis wieder ein wenig gera-
de zu biegen. Klar, das geht nicht ganz umsonst und von alleine, aber
erstens ist eine Viertelmillion auch nicht nichts und zweitens sind die
Bewohner von Westchester weder unverdient, noch zufällig obere Mit-
telklasse, sondern sind es, weil sie schon ganz, ganz früh etwas richtig
gemacht haben in ihren Leben. Daran jetzt nun wieder anzuknüpfen,
helfen Kinderlieder. Die hört man sich am besten von Schulgeländen
ab: Old McDonald Has A Farm, Rudolph The Rednosed Reindeer,
Twinkle Twinkle Little Star, Ants Go Marching One By One und der-
gleichen mehr; für sich genommen sicherlich pädagogisch wertvoll, al-
lerdings komplett am Thema subjektiven Reichtums bzw. subjektiver
Armut vorbei und nicht als Kanon zu singen.
Zum Glück für Westchester gibt es die Deutsche Schule auf
der Partridge Road. Wie ein Lauffeuer breitete sich in den vergangenen
Monaten vom dortigen Schulgelände ein altes deutsches Kinderlied über
Westchester aus: “Froh zu sein, bedarf es wenig...” Die Eingängigkeit der
Melodie muss schon fast als magisch gelten, die Übertragung des Textes
in‘s Amerikanische als nur wenig gelungen. Auf Spanisch hört sich das
schon wieder viel besser an “Poco se necesita para ser feliz / Y es un
rey quien es feliz”, so dass wenigstens Angehörige von in Westchester
tägigen Leichtlohngruppen die wieder aufgehellte Laune oberer Mit-
telklässler zuordnen können. Alles geritzt, könnte man meinen, doch
schwingen Pendel oft in beide Richtungen zu weit aus. Das Gegenteil
des Jammerlappens heißt Sendungsbewußtsein und statt sich an dem
wiedergefundenen Glück mit einer Viertelmillion Jahreseinkommen zu
freuen, schwärmen nun sendungsbewusste obere Mittelklässler in die
South Bronx, nach Spanish Harlem oder Yonkers. Es bleibt abzuwarten,
ob dort die frohe Botschaft richtig verstanden werden wird.
Über die Trasse?
Klasse!
Rock'n Roll
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