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DIEDERICHS „THE BERLIN NOT-BOOK“
D a s Z K v e r a b s c h i e d e t e i n e n
v e r d i e n t e n G e n o s s e n
Im digitalen Briefkasten der ITALIEN-Redaktion geht eine
Nachricht der Linksfraktion im Bundestag ein, die zur Abschiedsfeier
eines verdienten Mitarbeiters lädt: „Erwartet werden unzählige Festre-
den, Musik (…) und natürlich viel Wein“. Nun gut, mit Albrecht „Alb“
M. ist der Berichterstatter schon seit den wilden Jahren des „Kommu-
nistischen Bund“ (KB / 1970er – 1991) bekannt und sogar auch ein
bisschen befreundet. Da ist es dann nur recht und billig geladen zu
werden. Die Nachricht am Vorabend des großen Events ist dann schon
ernüchternder: „Verraten möchten wir an dieser Stelle (…) die wichtigs-
ten Infos zur Veranstaltung: (…) kein Buffet (…) Getränke können an
der Bar (…) erworben werden“. Meine Güte! So will DIE LINKE einen
ehrenwerten Genossen (seit 1990 Mitglied im „Bürokollektiv Jelpke“
und für Deutschlands Innere Sicherheit zuständig) in die quälende
Langeweile des Ruhestandes verweisen?
Was ist los mit der Linkspartei? Hat ihre lauthalse Sympathie
für die griechische SIRISA-Partei etwa den Reptilienfonds verschluckt?
Die Frage muss offen bleiben. Gleichwohl verlässt der Mann von ITALI-
EN, dem Politmagazin mit Hintergrund, an bewusstem Abend vorzeitig
sein fußläufiges Glasbierfachgeschäft und macht sich mit Sabine S. auf
den Weg zur Berliner Volksbühne. Dort folgt gleich der nächste Schock.
Statt im „Roten Salon“, wie es sich gehört hätte, findet die Rentenparty
im „Grünen Salon“ statt. Soll das ein verstecktes Zeichen in Richtung
Bundestagswahl 2017 sein? Auch dieses Rätsel ist nicht abschließend zu
lösen.
Wie auch immer! Im Saal selbst versammeln sich jedenfalls
zunehmend Albs ehemalige, derzeitige und künftige Weggefährten und
-innen. Zu den Ehemaligen gehört etwa der österreichische Schriftstel-
ler und freischaffende Liedermacher Rolf Schwendter. Da dieser indes
schon seit knapp zwei Jahren tot ist, werden seine legendären Auftritte
mit der Kindertrommel sowohl in alten Filmchen und frei interpretier-
tem Nachspiel von Albs Parteikollegen auf einer ebensolchen, darge-
boten. Der Saal tobt. Unvermittelt stürzt plötzlich ein auch schon in
die Jahre Gekommener auf den ITALIEN-Mann zu: „Mensch, nach 20
Jahren! Das ist ja irre!“ – und verschwindet ebenso so schnell wieder wie
er erschien.
„Wer war das?“, fragt der Politikwissenschaftler Norbert P.
verwirrt. „Keine Ahnung“. „Dann sollte ich ihn vielleicht mal fragen,
wer du bist!“, meint Norbert P., Sabine S. nickt heftig. Doch der Bengel
bleibt unauffindbar.
Zwei Etagen tiefer, am Draußen-Aschenbecher, lässt sich kurz
darauf das nächste Schauspiel bewundern, als die Bundestagsvizeprä-
sidentin Petra Pau (Die Linke) erscheint. Dicht flankiert von ihrem
Chauffeur. Erst als das Karottenköpfchen durch freudiges Winken von
Raucherfingern begrüßt wird, kann der Mann abdrehen und hat nun
Feierabend.
Damit ist es oben denn auch an der Zeit, mehrsprachig die
Internationale anzustimmen und die Winkelemente auszurollen. Der
ganze Saal ein einzig rotes Fahnenmeer. So gefällt es dem versammelten
Volk. Die Interpretation des Chronisten: „Leute, seht die Blamage! Auf
zum echten Gefecht!“, stößt hingegen auf Unverständnis und Verach-
tung; am Tresen herrscht gähnende Langeweile. Stattdessen wird mit
der „Sonderausgabe Alb65“ freimütig ein hektographiertes Heftchen in
Anlehnung des „Arbeiterkampfes“ (AK), der einstigen Hauspostille des
KB, verteilt. Darin würdigt etwa der stellvertretende Fraktionsvorsit-
zende Jan Korte (Die Linke), Alb M. als „nicht mehr Peking-, sondern
eher Ostberlinorientiert. Das sei eine durchaus „begrüßenswerte Ent-
wicklung“. (S.1). Weitere Laudatien halten für die Nachwelt für über-
liefernswert, dass Alb einstens in Fetengetümmel gern auch mal einen
Schrank erklomm, um dort sein Nickerchen zu halten (S.6). Bei aller
Munterkeit beschleicht einen da doch zwischendurch das Gefühl, man
befinde sich auf einer Beerdigung.
Also nix wie zurück ins heimische Glasbierfachgeschäft.
Verdammt nah an der Gastronomie.
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