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I

TAL

IEN 13

Ich stehe im Aldi meines Vertrauens.

Das Band vollgepackt.

Zwei meiner Brutlinge hängen am, zugegebenermaßen zu eng ausfallenden

Rockzipfel, ein Brutling kreischt im Einkaufswagen und der pubertierende

Brutling mosert darüber, dass er beim Ausräumen des Wagens Hilfe leisten

soll. Mit mulmigem Gefühl in der Bauchgegend zücke ich meine EC-Karte,

um die Grundnahrungsmittel für eine Woche zu bezahlen. Ein kurzes präg-

nantes Fiepen später bestätigt das Kartenlesegerät mein Bauchgefühl: In der

Schriftzeile blinkt unvermeidlich „Zahlung nicht möglich“ auf. Ich kenne

das! Ich bin da Routinier und lächle mit innerlich wedelndem Mittelfinger

die mittlerweile ungehaltene Menschenschlange, die sich hinter mir und der

missratenen Brut gebildet hat an. Bringt ja nichts. Einkäufe zurückstellen

lassen, circa 6 wiederverwendbare Tüten. Zügig zu Mama und Papa ins Büro

fahren, anrufen geht gerade nicht, weil der Provider auf Grund unbezahlter

Rechnungen keinen Bock mehr darauf hat, meine Telefonsucht weiter zu un-

terstützen, um Bares gegen das Versprechen, dass ich irgendwann mein Ta-

schengeld der letzten 34 Jahre zurückzahlen werde, eintauschen. Mein Vater

führt akribisch Buch über meine Anleihen und ich nenne sein Kassenbuch

gerne liebevoll Schindlers´Liste, denn auch diese basiert auf der Hoffnung,

irgendwann ein besseres Leben führen zu können. Zum Aldi zurück und den

Einkauf zahlen.

Die Kassierer sind nett zu mir, weil ich öfter mal vorbeugend

mit ihnen flirte. Zu Hause angekommen komme ich wieder einmal zu dem

Schluss, dass es so nicht weitergehen kann. Doch dieses Mal ist es anders als

sonst. Dieses Mal geht mir wirklich mein negroider, wohlgeformter Arsch

auf Grundeis. Kurzentschlossen mache ich mich innerhalb von einem Monat

selbstständig und nehme dankend die Aufträge, die ich als Autorin und Re-

dakteurin von TV-Branche erhalte, an. Geil, mindestens zwei Tage spiele ich

mich furchtbar auf und gebe Bestellungen im Gesamtwert von 100,00€ bei

amazon auf - was kostet die Welt?! Kühn träume ich von einem zu jeder Zeit

gefüllten Kühlschrank. Das böse Erwachen folgt selbstverständlich rasch.

Es ist nämlich so, dass, um arbeiten zu können, manchmal ein Mindestmaß

an Konzentration und eine Aufmerksamkeitsspanne, im besten Fall etwas

länger als ein Selfie-Stick, notwendig sind. Mit vier Brutlingen, die den Auf-

Elchherbst

in Barmen!

stand in Bautzen innerhalb von 15 Minuten mit Speeren bewaffnet

niedergemetzelt hätten, ein nicht ganz leichtes Unterfangen! Um die

Betreuungssituation zu verbessern und damit Workflow und Pay-

flow in Einklang zu bringen, habe ich das Jugendamt Wuppertal

eingeschaltet. Ich muss sagen, eigentlich gebührt den Damen des

Amtes die ganze Aufmerksamkeit dieses Artikels, denn statt unter-

stützend einzuwirken, bekam ich von den Damen immer wieder

zu hören, dass ich doch einfach Hartz 4 beantragen solle, denn ich

hätte die Kinder ja nicht bekommen, um am Ende arbeiten zu gehen

und die Kinder von anderen groß ziehen zu lassen!

Werte Damen vom Jugendamt, lesen Sie diesen Artikel!

Lesen Sie ihn aufmerksam! Und jetzt stellen Sie sich vor Sie stünden

an der Aldi Kasse. Stellen Sie sich vor, Sie werden kopfschüttelnd

angegafft. Werte Damen, und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie würden in die

weit aufgerissenen Augen Ihrer Kinder blicken. 2/4 Ihrer Kinder traurig dar-

über, dass es keinen Nachtisch gibt, 1/4 beschämt, weil es bereit versteht und

1/4 mißmutig, weil die Windel bis zum Hals eingeschissen ist und es nicht

schnell genug nach Hause geht, sondern Geld beschafft werden muss. Stellen

Sie sich das vor! Und jetzt Frage ich Sie: Sie haben tatsächlich den verfickten

Nerv, mir zu erläutern, weshalb und wozu ich meine Kinder geboren habe?!

Sie haben den verfickten Nerv auszublenden, dass es in meiner Verantwor-

tung als Mutter ist, meinen Kindern wenigstens eine Grundversorgung zu

bieten?! Ich speche nicht von teuren Geschenken, Urlauben oder gar verfick-

ten Kindergeburtstagen, den Scheiß kann ich mir schon lange nicht mehr

leisten. Ich spreche davon, dass meine Kinder ein Brot mit in die Kita neh-

men wollen! Sie haben den verfickten Nerv, die Fakten, nämlich ein erhöhtes

Armutsrisiko von Alleinerziehenden und deren Kindern auszublenden?! Es

ist ihre verfickte Aufgabe, Kinder zu schützen und unterstützen!

So, und jetzt muss ich weiter arbeiten, während sich meine Brut-

linge um mich scharen und fragen, wann wir jetzt endlich einkaufen gehen.

Ich gucke sicherheitshalber vorher noch mal auf mein Konto, habe mich in

Wlan meines Nachbarn eingeloggt.

W e r t e D a m e n v o m J u g e n d a m t .

v o n J a s m i n a K A