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WattLöpptin
NYC
vonStephenOldvoodel
U N G A : S a v i n g t h e W o r l d O n e
M e e t i n g A t a T i m e
Jedes Jahr im späten September, kurz nachdem die offenen
US-amerikanischen Tennismeisterschaften im Arthur Ashe Stadium in
Flushing Meadows entschieden worden sind, treffen sich – ganz unab-
hängig vom Ausgang der US Open – die Staats- und Regierungschefs der
mittlerweile 193 Mitglieder der Vereinten Nationen auf der Ostseite von
Midtown Manhattan, um die Welt zu retten. Die Rettung nennt sich
UNGA, kurz für United Nations General Assembly. Sie können offen-
bar diese Zeilen lesen. Das muss als hinreichender Beweis dafür gelten,
dass der UNGA die Rettung zumindestens vorläufig wieder gelungen ist.
Was sich allerdings in einem Satz so einfach sagen lässt, ist es in der Tat
mitnichten, und auch in diesem Jahr ist die Welt wieder einmal knapp
an einer Katastrophe vorbei geschrammt. Das hat zunächst einmal pro-
tokollarische Gründe, denn es gibt deutlich weniger als 193 Hotels in
Rufweite des UN-Geländes, die auch über eine Präsidenten-Suite verfü-
gen und mit einer Very-VIP-Suite oder einem VIP-Zimmer dürfte sich
ohne dauerhaften Gesichtsverlust keiner der Staats- und Regierungschefs
zufrieden geben. Erschwerend kam hinzu: Im vergangenen Oktober war
das Waldorf Astoria, seit Grover Cleveland (1893-1897) das Hotel der
Wahl US-amerikanischer Präsidenten auf Besuch in New York City, von
einer chinesischen Versicherungsfirma mit besten Beziehungen zur dor-
tigen KP gekauft worden. Seither ist das Waldorf für die Amis eine “no
go area”, da kann man also nicht hin. Barack Obama und seine 350-köp-
fige Delegation wichen ins New York Palace aus, das von Südkoreanern
betrieben wird, aber auf einem Grundstück steht, als dessen Eigentü-
merin die katholische Kirche eingetragen ist. Südkorea war – anders als
der katholischen Kirche – von den Amis ja in den 50ern mal der Arsch
gerettet worden (mit UN-Mandat), darum darf man ein Mindestmaß
an Loyalität erwarten und auch, dass sich die südkoreanische Regierung
mit ihrer Delegation eine andere Bleibe als das Palace sucht. So kamen
die Südkoreaner ins Waldorf. Dort konnten sie im Fahrstuhl oder in der
Lobby auf die indische Delegation treffen, natürlich auf die Chinesen
und etwas mehr als zwanzig weitere Delegationen, darunter auch die
deutsche. Zum Glück für das Protokoll verfügt das Waldorf seit Anfang
des Jahres über 26 “Presidential-style Suites”. Die von Cleveland über
Kennedy bis Obama in der Vergangenheit bewohnten Gemächer seien
angeblich zugemauert. Kein Grund zum Streit also und ein gutes Klima
für Angela Merkel und ihren Entwicklungshilfeminister Gerd Müller,
die mit einer nur 200-köpfigen Delegation angereist waren. Obergren-
zen von Delegationsgrößen sind in der Satzung der Vereinten Nationen
geregelt: 350 für ständige Mitglieder des Sicherheitsrats, 200 für net-
to zahlende Mitglieder wie Deutschland, 100 für die vielen unter den
Vereinten Nationen, die zwar Rederecht genießen, aber nichts zu sagen
haben. Bei fünf Ständigen, 37 Zahlern und 151 Auchdabeis kommen da
Gruppen zusammen, die größenmäßig an die Bevölkerung von Wupper-
tal-Ronsdorf heranreichen. Es könnte künftig noch schlimmer kommen,
denn im Zentrum des Wollens und Handels von Gerd Müller steht für
die gerettete Welt ein größerer Anteil zahlungsfähiger Mitglieder bei den
Vereinten Nationen. Dazu bietet er den Regierungen sogenannter Ent-
wicklungsländer Hilfe zur Selbsthilfe an, auf Deutsch, denn Englisch
spricht Gerd Müller nicht. Das Wirken von Wuppertal-Ronsdorf wäh-
rend der UNGA zu koordinieren, die notwendigen Gespräche zu choreo-
grafieren, dazu auch noch unter Einbeziehung der vielen Shopping- und
kulturellen Wünsche, dies belastet die Belegschaften der 193 Ständigen
Vertretungen bei den Vereinten Nationen dann doch regelmäßig bis an
die Grenzen einer die Welt gefährdenden Zumutbarkeit. Der Tropfen,
der das Fass in diesem Jahr beinahe zum Überlaufen gebracht hätte, war
die Anwesenheit von His Holyness, Pope Francis bei der UNGA und
Her Holyness, Beyoncé während der UNGA. Ihr Konzert im Central
Park war rasch ausverkauft, Zuhörerplätze für die Ansprache von Papst
Francis in der Generalversammlung waren sogar noch rarer. Eine für die
Erhaltung der Welt verantwortliche Gruppe in Größe der Bevölkerung
Wuppertal-Ronsdorfs drohte mürrisch zu werden. Papst Francis hatte
dann aber doch noch Programm und ein großer Teil davon sah eine de-
monstrativ langsame Fahrt in einem eigens nach New York verbrachten
Fiat 500 vor, dem neuzeitlichen Äquivalent des Esels, auf dem seinerzeit
Jesus von Nazareth nach Jerusalem eingeritten war. Die Fahrt des Fiat
mäanderte zwischen Madison Avenue und Fifth Avenue von Süden nach
Norden, entlang der vielen Geschäfte mit all ihren Luxuswaren, nach
denen zu streben der Nachfolger auf dem Stuhl Petri derzeit so wortge-
waltig geißelt. Aber noch zentraler ist im Katholizismus die Vergebung.
So segnete Papst Francis unter vielen Passanten eben auch die
Fortsetzung
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