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TAL
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B I L D E R , D I E W I R N I C H T V E R S T E H E N
V O N E R N S T K A H L
Wer mit jungen Menschen verkehrt, sollte sich seelsorgerischen Beistan-
des vergewissern. Aber auch dann geschieht oft Unerwartetes.
An der Haltestelle Alter Markt entstieg ich der seltsamen Straßenbahn.
Es war Samstagmittag, für mich eine ungewöhnliche Zeit, um in die
Stadt zu fahren. Vorsichtig betrat ich den gepflasterten Boden der Ver-
kehrsinsel. Mir war bewusst, dass hier früher alles vollkommen anders
ausgesehen hatte und irgendwann wieder ganz anders aussehen würde.
Zur Zeit lagen nirgendwo Trümmer. Viele Menschen mit und ohne
Mäntel sah ich, alle trugen Schuhe, alle hatten Köpfe.
Es waren kaum fünfzig Meter bis zu der Snack-Bar, wo ich gewisse jun-
ge Leute treffen wollte, um ins Leben zu treten oder wenigstens einen
Eindruck davon zu bekommen, wie junge Leute lebten. Im ersten Stock-
werk eines Behelfsbaus traf ich sie, lauter Individuen mit Namen und
Biografien. Ich hatte den Eindruck, wohlgelitten zu sein, und stellte fest,
dass ich den Anforderungen gerecht wurde, solange ich nicht versuchte,
junge Frauen zu beeindrucken. Einmal hatte ich im Beisein einiger jun-
ger Frauen etwas sehr gut gemacht und mich zur Belohnung schändlich
betrunken. Der herbeigerufene Pfarrer hatte entschuldigend gesagt: „Die
menschliche Seele verlangt nach glücklichen Stunden, da ist es nicht weit
zur Drogensucht.“ Der herzensgute Mann! Er konnte täuschend echte
Mädchen aus Morsezeichen machen. Meine ersten Mädchen waren da-
her Geschöpfe des Pfarrers gewesen und nicht etwa natürliche Wesen.
Es war eine schöne Zeit in der Snack-Bar, ich denke noch heute gern
daran. Und diese Zeit verging rasant, im Handumdrehen war es draußen
dunkel. Die jungen Leute, zu denen ich nun rechtmäßig gehörte, hatten
am Abend noch etwas vor, woran ich, auf Maß und Proportion bedacht,
mich jedoch nicht beteiligen wollte. Folglich schieden wir gut gelaunt
voneinander und verabredeten ein Treffen in naher Zukunft.
Ich begab mich zwecks Heimreise zur Straßenbahnstation Alter Markt,
die nun dermaßen in künstlicher Beleuchtung erstrahlte, dass sie ganz
unbekannt aussah. Die Worte des Pfarrers kamen mir wieder in den
Sinn: „Es ist die Art der Natur, uns zu betrügen.“ Unter dem mit großen
Neonschriftzügen gekrönten Haltestellendach, das von fünf in einer Rei-
he stehenden, stalaktitenförmigen Säulen getragen wurde, war ich der
einzige Wartende. Um mir die Zeit zu vertreiben, schlenderte ich zu dem
kreisrunden Pavillon, der statt einer sechsten Säule am südlichen Ende
des Daches stand. Dieser Pavillon enthielt einen noch geöffneten Tabak-
laden. Selbst einem Nichtraucher wie mir tat sich beim Blick durch die
Schaufensterscheiben eine faszinierende Welt auf, und das um so mehr
an diesem Abend, da – wie ich frappiert erkennen musste – in dem engen
Raum, inmitten all der so verlockend anzusehenden Genussartikel, eine
für menschliche Begriffe ganz ungeheuerliche Szene stattfand. Ich kann
sie leider nicht beschreiben, weil ich nach drei Sekunden ohnmächtig
wurde und seit dem Erwachen von einer Amnesie davor beschützt werde,
Schaden an meiner Seele zu nehmen.
U n b e s c h r e i b l i c h e s a m A l t e n M a r k t
v o n E u g e n E g n e r
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