I
TAL
IEN 11
B e r u h i g t e u c h !
v o n J a s m i n a K A
Die besinnliche Zeit kratzt mit kreischender Penetranz an der
Türe und meine grinchhaften Wesenszüge gewinnen Oberhand. Als
Quattromilf eskaliert das Ganze, und ich möchte mich in meine autis-
tische Gedankenwelt ohne Besinnlichkeit und ohne Liedgut zurückzie-
hen. Eingeläutet wird das Ganze mit dem Erntedankfest, vor welchem
ich mich mit der Spende von einer Packung Pasta noch ziemlich gut drü-
cken kann. Dann wird es bereits heikel bei dieser Halloween-Geschich-
te! Ihr Spackos, wir leben in der BRD, was soll denn dieser Mist? Reicht
es nicht, dass die Brutlinge einmal im Jahr an Karneval bereits beson-
ders kreativ verkleidet und geschminkt werden wollen? Ganz ehrlich,
ihr Eltern, die die Kostüme selbst basteln und ihre Kinder anmalen, als
wären sie nebenberuflich Maskenbildner: Ich hasse euch! Ich hasse euch
mindestens so inbrünstig wie ihr in der Kirche voller Inbrunst jeden
verdammten Liedtext mitschmettert! Ihr singt, näht und ökophil wie ihr
seid, spendet ihr am Kuchenbasar selbstgebackene Veganer-Kack-Cakes!
Was ist denn bloß los mit euch? In gemütlicher Runde, wohl-
gemerkt bei Kakao und Gebäck statt Eierlikör und Torte, wie es sogar
in jedem anständigen Altersheim der Fall ist, wird selig gesbastelt und
getratscht. Ich will das nicht und die Brutlinge auch nicht, weil jeder
Gehandicapte der Troxlerwerkstatt das einfach tausendfach besser drauf
hat als ich.
Meine Brutlinge marschieren mit Palstikleuchtstab und ge-
kaufter Laterne durch die Nacht. Und diese grenzwertig bescheuerte
Idee, mit den übermüdeten Kindern singend und trompetend durch die
Nacht ziehen zu wollen, bleibt mir rätselhaft. Es ist kalt, dunkel und je-
des Jahr trete ich in die Verdau-
ungsreste eines riesigen Gaules,
welcher mich fressen will. Stim-
mung Galore!
Das alles gipfelt dann
noch in dieser vorweihnacht-
lichen Hysterie! Ich habe Be-
kannte, die bereits im Sommer
damit beginnen, kleine Auf-
merksamkeiten für die holden
Familienmitglieder zu sam-
meln. Diese werden dann sorgfältig in ökologisch abbaubares Geschenk-
papier verpackt und in selbst handgemachte Adventskalender gesteckt.
Da freut sich das einjährige Kind doch aus tiefstem Herzen über die
Wertigkeit des Geschenkes. Merkt ihr noch was? Meine Brutlinge fei-
ern den Schokoladen-Adventskalender aus dem Discount-Supermarkt,
ihnen bleibt ja auch nichts anderes übrig. Traditionell stürze ich mich
dann am 24. in den Geschenke-Kampf und lebe meine Ambitionen als
MMA Kämpferin eben dort aus! Ihr werdet zu besinnliche-Zeiten-Pussi-
es! Maria ist doch auch nicht hingegangen und hat nach einem geplanten
Kaiserschnitt Cedars-Sianai verlangt!
Also macht euch mal locker und übertreibt es nicht mit der
Vorbereitung. Wenn ihr der Argumentationskette nun aufmerksam ge-
folgt seid, so werdet ihr festgestellt haben, dass ich der Leidensfähigkeit
einer Maria viel näher bin, als ihr es seid. Leider kann ich mich jetzt
nicht weiter hier über den Sinn und Unsinn dieses ganzen Wahnsinns
auslassen, denn ich bin versehentlich mit der Bastelschere auf meinen
Pulsadern ausgerutscht.
riegel