Background Image
Previous Page  7 / 16 Next Page
Basic version Information
Show Menu
Previous Page 7 / 16 Next Page
Page Background

I

TAL

IEN 7

B I L D E R , D I E W I R N I C H T V E R S T E H E N

V O N E R N S T K A H L

Irgendetwas stimmt nicht mit dem Präsent für die Dame, die

sich mit keinem Sterbenswörtchen meldet, ob es ihr gefällt oder nicht …

Ich wurde allmählich unruhig. Nach fast zwei Wochen gab es noch im-

mer keinerlei Reaktion von Hulda Pfeiftrichter-Gleichrichter. Dabei hat-

te ich erwartet, dass sie sich unmittelbar nach Empfang meines Pakets

entzückt melden würde. Bei dessen Inhalt handelte es sich immerhin um

ein nicht unbedeutendes Präsent. Selbst ich als ein überdurchschnittlich

verständnisvoller und entgegenkommender Mensch lief allmählich doch

Gefahr, mich gekränkt zu fühlen.

Als dann gar drei Wochen ohne ein Sterbenswörtchen von

Frau Pfeiftrichter-Gleichrichter vergangen waren, fühlte ich mich in der

Tat gekränkt. Laut der von mir durchgeführten Sendungsverfolgung

hatte sie mein Paket bereits erhalten, mithin handelte sie moralisch ver-

werflich. Und ich hatte mir eingebildet, sie empfände etwas für mich!

Ich war ohnehin schon zutiefst enttäuscht von der menschlichen Spezi-

es im Allgemeinen, und nun beging auch noch diese Frau, von der ich

dergleichen niemals erwartet hätte, solchen Verrat an mir. In meinem,

wie ich fand, durchaus berechtigten Unmut erzählte ich Freunden und

Bekannten davon. „Eine von mir originalsignierte sechsbändige Jean-

Paul-Gesamtausgabe habe ich ihr geschickt, und die blöde Kuh reagiert

gar nicht darauf“, rief ich anklagend. Ich erwartete Verständnis und So-

lidarität, doch stattdessen sahen mich vielmehr alle verständnislos an

und behaupteten, nicht zu wissen, wovon ich redete.

Als hätten sie sich hinter meinem Rücken verschworen, leug-

neten sie sämtlich, je von einer Person mit einem so albernen und ab-

geschmackten Namen wie Hulda Pfeiftrichter-Gleichrichter gehört zu

haben. Es kam sogar so weit, dass mir eine alte Bekannte versicherte, ich

hätte ihr meine Jean-Paul-Gesamtausgabe vor Jahren mit den Worten

überlassen, ich könne „das selbstgefällige Geschwätz nicht mehr lesen“.

Weil ich dies als absurd zurückwies, trat sie umgehend den praktischen

Beweis an und zeigte mir die Bücher. Sie waren es!

Verunsichert beschloss ich, der Sache weiter auf den Grund zu

gehen. Dabei musste ich feststellen, dass es weder eine Person mit dem

allerdings sehr albernen Namen Hulda Pfeiftrichter-Gleichrichter noch

die Adresse gab, an die ich mein Paket geschickt zu haben glaubte. Das

war zweifellos noch toller als der Fall, den ich bislang für den tollsten

gehalten hatte: Ein von mir verschicktes Postpaket war nicht beim Emp-

fänger angekommen, woraufhin sich dieser an das zuständige Postamt

gewandt und dort die Auskunft erhalten hatte, die Sendung sei samt Zu-

stellfahrzeug spurlos verschwunden. Eine Woche später war das Paket

dann als Retoure zu mir zurückgekommen.

Doch wie harmlos nahm sich das aus im Vergleich mit meinem

Jean-Paul-Gesamtausgabe-Paket an Hulda Pfeiftrichter-Gleichrichter!

Ich gelangte nach und nach zu der Überzeugung, schon vor mehr als

zehn Jahren gestorben zu sein. Wenn ich dies gelegentlich im Freundes-

und Bekanntenkreis äußerte, erntete ich damit kein einziges Mal Wider-

spruch.

D a s P h a n t o m p a k e t

v o n E u g e n E g n e r