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TAL
IEN
DIEDERICHS „THE BERLIN NOT-BOOK“
A p p e l l z u m G r e i s e n k r e i s
Der Absturz begann Ende Januar. „Ist die Rente schon da?“,
wendete sich ein Mütterchen vertrauensvoll an den Hauptstadtkorres-
pondenten, als dieser die Bank verließ. Ein bisschen weh tat das schon,
aber der Lapsus ließ sich immerhin noch als Sehschwäche abtun. Aber
nun ist es amtlich! Im ITALIEN-Briefkasten liegt ein Schreiben des Be-
zirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg: „Ihnen steht ein neuer Lebensab-
schnitt bevor“, heißt es dort – es handelt sich also um einen Stellungsbe-
fehl zur „Informationsveranstaltung: Älterwerden in Berlin“. Und das
Ganze auch noch bei Kaffee und Kuchen, wo doch Bier und Buletten
viel angemessener wären.
Im Grunde also eine einzige Zumutung! Aber es nützt ja nix –
Befehl ist Befehl! Und so macht sich der Berichterstatter am bewussten
Tag im Interesse seiner Leserschaft auf den Weg ins Nachbarschafts-
haus Urbanstrasse (NHU). Dies zumal, da einfühlsame Einführungs-
worte durch die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne)
versprochen sind. Und die ist ja immer für eine Dummheit gut.
Kaum hat man den Veranstaltungssaal betreten, da ist man
auch schon um einige Jahre gealtert. Aha, da in der Mitte ist an einem
Tisch noch ein Plätzchen frei. Traurig mummelt da ein etwas hinfällig
wirkender Herr an seinem Kuchen und verkleckert seinen Kaffee gleich
für zwei. Und dann geht es los; Monika Herrmann lässt sich nicht lum-
pen und erklärt, sie bekleide neben ihrem Bürgermeisteramt ja auch
noch das der Jugendstadträtin. Der Saal lächelt wohlwollend und fühlt
sich geschmeichelt.Nach einer knappen Stunde ist die erste Sabbelrun-
de beendet; nun soll untereinander geredet werden. Hohe Zeit also, um
vor der Tür den Nikotinhaushalt zu stabilisieren. Der Kleckerer und
eine muntere Dralle vom Nebentisch schließen sich an. Was ist das?
Nur drei Kippenfreunde unter 60-70 Anwesenden? Was für eine ärm-
liche Bilanz angesichts einer der ältesten Kulturerrungenschaften der
Menschheit, sind sich alle einig. „Ach“, meint der Kleckerer und weist
auf den Parkplatz des gegenüberliegenden Krankenhauses, „im Zweifel
bleibt uns ja immer noch das dahinten. Da stehen sie alle und rauchen“.
Das Eis ist gebrochen, auftragsgemäß redet man miteinander. „Was er-
warten Sie sich von der Veranstaltung“, fragt die muntere Dralle den
Mann von ITALIEN, dem altvorderen Jugendmagazin. Man sieht sich
an, grinst und weiß wortlos Bescheid. Das Speed-Dating hat also ge-
klappt.
Drinnen wird nun das Unterhaltungsprogramm angefahren.
Die Senioren-Schauspielgruppe des NHU bietet einen Ausschnitt aus
ihrem lehrreichen Programm: Zwei einander bislang unbekannte Frau-
en treffen sich auf einer Bank und beginnen ein Gespräch über ihre
verstorbenen Hunde. So einfach lassen sich eben auch im Alter noch
neue Bekanntschaften machen!
Wie gut ist es da, dass zeitgleich eine gemeinsame Studie der
Humboldt-Universität, dem Max-Planck-Institut und der Charité zu
dem Ergebnis gekommen ist, dass die heutigen Senioren „im Durch-
schnitt geistig 19,6 Jahre jünger sind als vor 20 Jahren“. Am „Gedächt-
nis- und Konzentrationstraining“-Kurs des Nachbarschaftshauses, wo
es sich in einer „geschützten Atmosphäre und bei Kaffee und Gebäck
(…) leichter gemeinsam denken“ lassen soll, kann dies eher nicht liegen.
Wohl besser, man hält sich an die neue wissenschaftliche Studie. Allein
schon deshalb, weil der ITALIEN-Mann dann schwupps wieder holde
44 ist. Also nix wie wieder raus hier und hin zu den alten Zauseln ins
benachbarte Glasbierfachgeschäft. Dahin will die muntere Dralle dann
aber nicht mit, da sei es ihr doch etwas zu verraucht. Die Arme weiß ja
gar nicht, was sie da verpasst.
Hatte die Glasbierfachverkäuferin Anja D. dort doch erst we-
nige Tage zuvor verkaufspsychologisch geschickt erklärt: „Otto, Du bist
ja noch jung und peppig! Da kannst Du bestimmt noch ein Bier vertragen“.
Nach dem vorherigen Ausflug gilt das erst recht!
Dipl. Ing. Eva Hornhardt
Freie Architektin AKNW
Baubiologin IBN, Bausachverständige
Spezialisiert auf Schadstoffe, Feuchtigkeit
und Schimmelbefall in Innenräumen
TÜV-pers.zert. Nr. 84395
Friedrich-Engels-Allee 177a
42285 Wuppertal
Telefon: 0202-70 550 725
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