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B I L D E R , D I E W I R N I C H T V E R S T E H E N
V O N E R N S T K A H L
Eine Verunsicherung ergreift die Menschen, wenn diverse
Ereignisse zwischen Wuppertal-Barmen und anderswo auf dem Mund-
harmonikaspiel beruhen.
Vorigen Freitag ahnte noch kein Mensch, dass ich jetzt diesen
Text schreiben würde. Ebenso wenig hätte jemand erwartet, dass es zu
einem Aufschub des Ratsbeschlusses über das Pusteröhrchen „Bodo“
und zur Schließung der Staatlichen Mundharmonikavirtuosenentschä-
digungsstelle in Wuppertal-Barmen kommen würde. An Koinzidenz
möchte ich nicht glauben, vielmehr empfinde ich es als höchst vielsa-
gend, ja, verdächtig, dass in beiden Fällen Gegenstände eine Rolle spie-
len, in die hineingepustet wird.
Vor dem Hintergrund solcher Ereignisse ist es kaum ein
Wunder, wenn Verunsicherung die Menschen ergreift. Kann diese Welt
noch unsere Welt sein? Wollen wir weiterhin in ihr leben? Solche Fra-
gen werden häufig gestellt. Mit dem Anstieg der Lebenshaltungskosten
wächst aber das Vertrauen, und die Menschheit gewinnt daraus zuletzt
die Kraft zur Fortexistenz. Unmittelbar vor ihrer eigentlich niemanden
wirklich überraschenden Schließung hatte die Staatliche Mundharmo-
nikavirtuosenentschädigungsstelle mir ein Stipendium verweigert, weil
ich nachweislich nicht das Geringste mit dem Mundharmonikaspiel zu
tun hatte. Doch schon wenig später wurde mir ein anderes Stipendium
gewährt, man konnte sich kaum vor dergleichen retten.
Um in den Genuss der Zuwendung zu kommen, musste ich
einige Monate in einer der Villa Massimo vage vergleichbaren auslän-
dischen Einrichtung verbringen. Die Kosten für die Seereise wurden
übernommen, der Name des Schiffs war „SOS Nudelsalat“. Bevor ich
an Bord ging, las ich aufmerksam die Hinweise für Seereisende: „Risi-
ken und Komplikationen lassen sich bei der Seefahrt nicht völlig aus-
schließen. Die Schrecken der Weltmeere bilden sich meist innerhalb
mehrerer Monate zurück, können in sehr seltenen Fällen aber auch von
Dauer sein.“
Während der Überfahrt hielt ich mich an den Kapitän, das gebot die
Lebensklugheit. Oft lud er mich in seine Kajüte ein, die er mit einem
D a s A u s l a n d s s t i p e n d i u m
Vogel teilte. Dieser Vogel gab die Stimmen von Personen, deren Ab-
bildungen ihm vorgelegt werden, naturgetreu und richtig wieder. Von
Gott hatte er, wie er behauptete, außerdem einige Kartentricks gelernt.
Einmal rief er auch aus: „Die Eins ist doch eine verdammte Zahl!“
Zuletzt bedauerte ich fast, an Land gehen zu müssen, aber
es half nichts. Ich ließ mich zu der Villa fahren, in der ich die nächs-
ten Monate verbringen sollte. Jeweils drei Stipendiaten teilten sich eine
von drei großen Eisenpfannen, die im Villeninnenhof aufrecht an der
Wand lehnten. Niemand wusste, wozu die Pfannen da waren, denn es
gab nie Gebratenes zu essen, trotzdem schienen zwei davon stets irgend-
wo in Gebrauch zu sein, so dass im Innenhof immer nur eine war. An
der Tür zum Schlafsaal hing ein Schild mit der Aufschrift „Nicht die
Knochen der Schlafenden verkaufen!“
Manchmal standen alle mitten in der Nacht auf und wollten
heiraten. Man musste eine Art zu leben für sich finden. Mein Konzept
lautete: Den Großteil des Tages verschlafen, während der übrigen Zeit
Schwierigkeiten machen.